Kindeswohl bei bi-nationalen Trennungen
Und wie es gesichert werden kann | Newsletter 3/2013
Europa und die Welt zu bereisen, (fast) überall leben, arbeiten oder studieren zu können, bereichert das Leben vieler Menschen. Auch die Aufnahme von Migranten im eigenen Land bringt Menschen aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zusammen. Es entstehen Bekanntschaften, Freundschaften und auch Liebschaften, in denen Menschen aus unterschiedlichsten Nationen und Kulturen zusammenfinden. Was so schön und glücklich sein kann, bedeutet aber auch, dass immer mehr bi-nationale Partnerschaften zerbrechen und bunte Ehen geschieden werden. 2012 wurden in Deutschland 179.100 Ehen geschieden. 14% der Scheidungen wurden von bi-nationalen Paaren eingereicht. Die Zahl könnte noch weit höher liegen, wenn man eingebürgerte Deutsche hinzuzählen würde, also diejenigen, die einen nicht-deutschen kulturellen Hintergrund haben. Und das betrifft natürlich nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder. Insgesamt wurden 143.022 minderjährige Kinder zu sogenannten Trennungskindern. Wie viele davon mindestens ein ausländisches Elternteil haben, kann man leicht hochrechnen, wenn man bedenkt, dass jedes 9. Kind, das 2011 geboren wurde, aus einer bi-nationalen Familie stammt.
In der Regel sind sich die Eltern darin einig, dass sie das Beste für ihre Kinder wollen. Aber richten sie sich dann nach dem „Kindeswohl“, dem „best interest of the child“ oder doch nach dem „interés superior del nino“? Denn so unterschiedlich die Sprachen sind, so unterschiedlich sind auch die Auffassungen, was das Beste für die Kinder ist. Fast die Hälfte der schwedischen Kinder unter drei Jahren besucht eine Kita, wohingegen in Italien die Nonna, also die Oma, einen wichtigen Part im Familienleben übernimmt. In Frankreich ist Kleinkindbetreuung selbstverständlich und in den Niederlanden wird kaum ein Kind unter drei Jahren fremdbetreut. Und Deutschland ist übrigens das einzige Land, in dem die Kinder „fremdeln“ – ein Phänomen, das in anderen Ländern absolut unbekannt ist.
Aber nicht nur die unterschiedliche Betreuung der Kinder, sondern vor allem der andersgeartete Umgang mit den Kindern und die Stellung der Kinder innerhalb der Familie sind in multikulturellen Familienzusammenhängen brisant. Die Kinder deutscher Eltern müssen beispielsweise eher lernen selbständig zu sein, selbstbewusste Entscheidungen zu treffen und dabei auch noch glücklich sein. Der traditionell asiatische Erziehungsstil ist hingegen hart und kompromisslos, wie wir von Tigermutter Amy Chua lernen konnten. Eine asiatisch-europäische Familie muss also einen individuellen Weg finden, mit diesen divergenten Stilen umzugehen.
Solange die Eltern sich einig sind und Verschiedenheit als Bereicherung angesehen wird, sind all diese Aspekte miteinander vereinbar. Sobald die Eltern im Trennungsfall den Blick auf ihre Kinder verlieren, weil sie im Ex-Partner einen Gegner sehen, kann dies fatale Folgen für die Kinder mit sich bringen.
So ist es beispielsweise einem jungen deutsch-russischen Paar ergangen, die eine Mediation gemacht haben, nachdem die Mutter das gemeinsame Kind nach einem Urlaub vorerst in Moskau zurückgehalten hat. Im Laufe des Prozesses setzten sie sich damit auseinander, wo das Kind zukünftig leben sollte und wie der kreative und auf Selbstbestimmung ausgerichtete Erziehungsstil des Vater mit dem stark reglementierten Stil der Mutter, bei dem vor allem Disziplin eine bedeutende Rolle spielt, miteinander zu vereinbaren sind.
Neben den unterschiedlichen Ansichten, was gut für ein Kind ist und was es für seine Entwicklung braucht, stehen sich in vielen Fällen auch noch unterschiedliche Rechtssysteme gegenüber. Eine Unterstützung durch professionelle, möglichst zweisprachige und im besten Fall auch multikulturelle Mediator/innen kann Eltern hier unterstützen und begleiten.
In manchen Fällen, in denen keine Einigung gefunden wird, kann es zu internationalen Kindes-entführungen kommen. Dramatisch ist, dass diese Zahl stetig steigt. So gab es vor fünf Jahren rund 383 registrierte Fälle in Deutschland. Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) hat das Ziel, dass Kinder geschützt werden und im Fall von Zurückhaltung oder Entführung in das Land, in dem sie bis zur Entführung gelebt haben, zurückgeführt werden. Auch hierbei und in der weiteren Regelung ist das Mediationsverfahren oft hilfreich und vermittelt zwischen den Eltern.
Der gemeinnützige Verein Mikk – Mediation in internationalen Kindschaftskonflikten unterstützt und berät bi-nationale Elternteile in Fällen von Kindesentführungen und vermittelt zweisprachige Mediator/innen. Außerdem bietet er Fortbildungsveranstaltungen für Mediator/innen an.
(Zoë Schlär)