Mediation im Dreieckskontrakt
Newsletter 5/2016
Aus unseren eigenen Erfahrungen und den Erkenntnisse aus eingebrachten Fällen in der Supervision für Mediator/innen möchten wir in diesem Newsletter das Thema Auftragsklärung noch einmal näher beleuchten. Fallstricke könnten sein: Ist Mediation überhaupt die richtige Intervention in diesem Fall? Haben Auftraggeber und Medianden die gleichen Ziele? Wie vermeide ich, unvorbereitet in einen hocheskalierten Konflikt zu geraten.
In der Regel beauftragt ein Team eine Mediation nicht selbstständig sondern die Leitungskraft setzt sich mit den Mediator/innen in Verbindung. So sollte es auch sein, denn die Leitung ist verantwortlich dafür, dass ein Team arbeitsfähig ist und bleibt, sie ist auch für die Klärung von Konflikten zuständig. Die Führungskraft hat in der Regel ein Verständnis vom Konfliktgeschehen und dessen Hintergrund und vor allem kann sie die Auswirkungen des Konflikts auf das gesamte System einordnen. Insofern ist sie für uns Mediator/innen im Vorgespräch eine wichtig Quelle für eine erste Konfliktanalyse und die Formulierung der Zielsetzung einer Mediation.
Mit diesen grundlegenden Informationen und dem Mediationsauftrag trifft das Mediatoren-Team also auf das konflikthafte Team und stellt mitunter fest, dass es da ganz andere Ansichten gibt, sowohl über die Notwendigkeit einer Mediation als auch über den Gegenstand und das Ziel einer Intervention von außen. Die Stimmung in der ersten Sitzung liegt dann zwischen gespannter Erwartung und Widerstand. In der Praxis stellt sich also das Dreiecksverhältnis zwischen Auftraggeber/in – Medianden - Mediatoren oftmals komplexer dar als es die Theorie oder das erste Anschauen vermuten lässt.
Eine Gefahr in dieser Situation könnte sein, dass wir uns als Mediator/innen mit dem Auftrag der Leitung über- bzw. unteridentifizieren. Oder anders herum formuliert: Wir übernehmen zu stark die Perspektive und die Einschätzungen der Leitung und verlieren damit die Konfliktparteien aus den Augen. Oder wir übernehmen zu stark die Perspektive des Teams und verlieren damit unseren Auftrag aus dem Blick.
Aus unserer Erfahrung gibt es unterschiedliche Strategien, um mit dieser Situation umzugehen: Um ein möglichst breites Bild von der Situation zu bekommen, kann das Vorgespräch auf das Team ausgeweitet werden. Bei großen Teams kann mit Vertreter/innen des Teams über mögliche Ziele einer Mediation gesprochen werden, um es mit der Zielvorstellung und Einschätzung der Führungskraft abgleichen zu können. Im Falle einer hocheskalierten Situation, in der auch die Führungskraft keinen Überblick (mehr) über das Konfliktgeschehen und dessen Ursache hat, bieten sich zum einen Vorgespräche mit der nächst höheren Leitungsebene und zum anderen mit jedem Einzelnen an. Dass letzteres eine besondere Herausforderung für alle Beteiligte darstellt, lässt sich schon allein deshalb erahnen, weil die Mitarbeiter/innen dieses Angebot nutzen könnten, um aus ihrer persönlichen Befindlichkeiten heraus mit Vorgesetzen und Kolleginnen abzurechnen. Für uns Mediator/innen ist das wenig hilfreich, weil wir mit dieser Information in der Regel nicht offen arbeiten können, damit zu Geheimnisträgern werden als auch Gefahr laufen, gar als „Verbündete“ zu fungieren. Hier wäre beispielsweise hilfreich, den selben Fragenkatalog für alle Konfliktparteien anzuwenden und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass keine Informationen von den Medianden gegeben werden dürfen, die nicht auch in der Mediation besprochen werden können.
Ein Beispiel: In einer aktuellen Mediation mit einem Team, in der wir zuvor mit der Leitung geklärt hatten, dass eine Mediation sinnvoll ist, hat sich nach einigen Sitzungen herausgestellt, dass strukturelle Konflikte auf der persönlichen Ebene ausgetragen werden. Das Team hatte längere Zeit keine Führung mehr und die Ziele und Standards der Arbeit waren ungeklärt. In der Mediation konnte dies aufgedeckt werden und die interpersonalen Konflikte soweit besprochen werden, dass eine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden konnte. Die grundsätzlichen Probleme blieben aber bestehen. In einer Nachbesprechung mit der Leitung konnte verabredet werden, dass es nun anstand, die Leitung durch ein Coaching bei den anstehenden Aufgaben zu unterstützen. Gleichzeitig wurde verabredet, dass das Team noch Supervision bekommt, damit die Umsetzung der neuverabredeten Ziele und Standards in der täglichen Arbeit abgesichert werden kann.
Und damit wären wir wieder am Anfang, nämlich bei der Beratung über die Klärung des richtigen Beratungsformates und der Entwicklung einer sinnvollen, auf die Situation des Teams zugeschnittenen Beratungsarchitektur.
An diesem nachgelagerten Auftragsklärungsprozess müssen möglicherweise verschiedene Leitungsebenen beteiligt werden, um grundlegende strukturelle Gegebenheiten zu verhandeln und ggf. zu verändern, um die Auswirkungen auf die gesamte Organisation im Auge zu behalten. Wenn also ein Leitbild oder ein Konzept für einen Bereich oder gar die gesamte Organisation fehlen, es kein stimmiges Konzept über die Ziele und Formen der Zusammenarbeit von (multiprofessionellen) Teams gibt, Arbeitsplatzbeschreibungen sehr allgemein gehalten sind, sich Konflikte entzünden an der Verteilung von Ressourcen und der Gehalts- und Hierarchieeinstufung, so dass Übervorteilung erlebt bzw. das Prinzip Gerechtigkeit (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) verletzt wird, kann das Team oftmals nur begrenzt aus sich heraus etwas verändern. Bei all diesen Themen bedarf es einer Entscheidung durch die Leitungsebene(n). Dies zu erkennen, zu analysieren und auf die richtige Ebene zu bringen, ist auch unser Job als Mediator/innen. Die Bearbeitung dieser verschiedenen Themen kann durch Rollenklarheit bei den Mediator/innen und durch Delegation von Teilklärungen an Formate wie Supervision, Organisationsentwicklung und Führungskräfte-Coaching gelingen.