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Wir müssen sichtbarer werden!

Gedanken zum Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz | Newsletter 3/2017

Evaluationsbericht Mediationsgesetz

Vor wenigen Wochen ist der Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz von 2012 erschienen. Wir finden die Zahlen erschreckend! In Deutschland finden immer noch vergleichsweise wenige Mediationen statt und die Mediationen die stattfinden, werden von einem relativ geringen Kreis von Mediator/innen durchgeführt und Mediation hat immer noch nicht die Bekanntheit, die sie eigentlich haben sollte. Es gibt ja keine Mangel an Konflikten, sondern es gibt einen Mangel an Übersetzung von Konflikt in die Mediation. Nicht, dass bei jedem Konflikt eine Mediation gemacht werden sollte, aber um nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, mit denen die Konfliktparteien wirklich gut leben können, ist Mediation in vielen Fällen einfach der richtige Weg.

Selbst vor Gericht, wo sich die Menschen ja schon in einem streitigen Verfahren befinden, und zwar über alle Rechtsgebiete hinweg, gibt es eine sehr geringe Verweisungsquote an die Güterichter. Diese liegt über alle Rechtsgebiete und Gerichtsbezirke hinweg in der Regel bei unter 2 %.

Nun soll dieser Newsletter nicht zum Lamentieren anregen, vielmehr möchten wir Anstöße geben, wie wir als Mediator/innen einen Beitrag leisten können, damit es besser wird.

Wenn wir auf die Zahlen aus dem Evaluationsbericht schauen könnten folgende Punkte hilfreich sein:

Empfehlung 1: Wir müssen an unserer Bekanntheit bei potentiellen Vermittlungsstellen arbeiten

Ca. die Hälfte der Mediationen kommt durch unmittelbaren Kontakt oder durch Empfehlung von anderen aus vorangegangenen Mediationen zustande. Nur 9 % der Mediator/innen geben an, Anfragen von Beratungsstellen erhalten zu haben. Ebenso viele geben an, Anfragen von Anwälten bekommen zu haben. Hier könnte es helfen den Kontakt zu intensivieren. Nur wenn Beratungsstellen und Anwälte wissen was wir Mediatoren tun, können sie eine Mediation bei passenden Fällen empfehlen. Unsere Vermutung ist an dieser Stelle, dass es nicht ausreicht, abstrakt zu wissen was Mediation ist, sondern dass sie konkreten Kontakt zu Mediator/innen haben müssen und dass sie auch ganz konkret wissen müssen, unter welchen Umständen und bei welchen Indikationen Mediation das geeignete Unterstützungsangebot wäre. Sowohl Familienberatungsstellen als auch Anwälte bearbeiten Konflikte und sie sollten wissen, wann sie es mit ihren Mitteln lösen können und wann es sinnvoll und nachhaltiger für die Konfliktparteien wäre, Mediator/innen hinzuziehen.

Empfehlung 2: Konzentration auf die Bereiche in denen Mediation am häufigsten nachgefragt wird

Fast die Hälfte der Mediationen finden innerhalb von Organisationen statt. 22% der Mediationen beschäftigen sich mit Familie und Partnerschaft und weitere 12% im Bereich der Wirtschaftsmediation (b2b). Eher geringe Fallzahlen gibt es bei Mediation im öffentlichen Bereich (4%) und Bau- und Architektensachen (3%). In der Evaluation wird von ca. 7500 Fällen im Jahr 2016 ausgegangen. Das bedeutet aber auch, dass bundesweit nur 225 Fälle im Bereich Bauen durchgeführt wurden. Das mag ein Markt für einige Spezialisten sein, ein Massenmarkt ist es nicht.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass in der Evaluation nicht alle Mediationen erfasst wurden, da ja auch nicht alle Mediator/innen befragt wurden bzw. geantwortet haben, würden wir davon ausgehen, dass die Verteilungszahlen auf die unterschiedlichen Fachgebiete stimmen, auch wenn es real mehr Mediationen gibt.

Nun kann man argumentieren, dass gerade die Bereiche, in denen Mediation noch nicht so verbreitet ist, besonders spannende sind. Dies mag auch für einzelne Spezialist/innen zutreffen. Unsere Vermutung wäre allerdings, dass es lohnenswerter wäre, sich (zunächst einmal) auf diejenigen Felder zu konzentrieren, in denen es schon eine nennenswerte Nachfrage gibt und wo Weiterempfehlung auch eine Rolle spielen könnte. Zumal dies auch Felder sind, in denen auch relevante Fallzahlen möglich wären. Konflikte am Arbeitsplatz und in der Familie gibt es immer. Um hier die Hürde zur Mediation zu senken, wäre aus unserer Sicht eine Kooperation mit den entsprechenden Verbänden sinnvoll. Arbeitgeberverbände sind für viele Betriebe der erste Ansprechpartner bei Konflikten. Diese müssen über unser Angebot informiert sein und es weiter empfehlen. Verbände, die sich mit spezifischen Familienkonstellationen beschäftigen (Verband binationaler Ehen, Väterinitiativen usw.) sind für viele Menschen der erste Ansprechpartner, wenn es um Konflikte geht. Sie müssen wissen, dass wir für die Menschen in Konflikten ein Angebot haben.

Insbesondere den organisationsinternen Bereich mehr zu beackern wäre aus unserer Sicht sinnvoll. Da nur ein sehr geringer Teil der befragten Mediator/innen Mediation ausschließlich von Mediation leben kann, wäre dies zumindest eine Möglichkeit, diese Quote zu erhöhen, da organisationsinterne Mediation zumindest ordentlich vergütet wird. Und hier tut eine Veränderung Not: Nur 5% der befragten Mediator/innen erzielen den ganz überwiegenden Teil ihres Einkommens mit Mediation.

Empfehlung 3: Das Portfolio erweitern

Mit Coaches, Supervisor/innen, Organisationsentwickler/innen, Berater/innen und Expert/innen aus dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement zusammenarbeiten oder dies zusätzlich selbst anbieten. Und Trainings machen. Mediation ist ein Vertrauensprodukt. Menschen kaufen Mediationen wenn sie den Mediator/innen vertrauen. In den oben genannten Kontexten werden wir mit unserer mediatorischen Haltung erlebbar und können uns für die Bearbeitung von Konflikten empfehlen.

Wir wollen hier nicht der Vermischung von Formaten das Wort reden, ganz im Gegenteil! Da aber Mediation auch ein kommunikativ orientiertes Format ist, könnten die oben genannten Formate ein Einfallstor für Mediationen darstellen. In einem Seminar oder Training können Informationen über das Verfahren transportiert werden und wir werden erlebbar. In einem Coaching oder einer Supervision können wir auf die Grenzen der Formate verweisen und eine Bearbeitung durch Mediation empfehlen. In der Organisationsberatung oder in einem BGM-Verfahren werden Konflikte deutlich, die der Mediation bedürfen.

Empfehlung 4: In die Zukunft investieren - Schulmediation unterstützen

Je mehr Menschen Mediation erfahren haben und wissen wie es wirken kann, umso besser. Und da gilt es früh anzufangen. Wir gehen davon aus, dass sich positive Erfahrungen mit Mediation und grundlegende Kenntnisse des Formats positiv auf die (zukünftige) Nachfrage auswirken wird. Schließlich werden aus Schüler/innen später einmal Erwachsene, die in Betrieben und Organisationen arbeiten.

In vielen Schulen in Berlin und Brandenburg gibt es bereits Konfliktlotsen oder Streitschlichter. Wir sollten darauf hinarbeiten, dass diese sich "(Schul)Mediatoren" nennen. Was an den Schulen umgesetzt wird ist Mediation und wenn sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch ihre Eltern dieses Verfahren kennen und den Begriff von Anfang an richtig anwenden, verankert er sich im Bewusstsein als hilfreich und selbstverständlich. Der Weg dahin könnte sein: einfach zu der Schule der eigenen Kindern, der Kinder von Freunden oder befreundeter Lehrer/innen Kontakt aufnehmen und daran arbeiten. Und vielleicht sogar ein Stück weit beratend oder durch konkrete Mitarbeit unterstützen. In vielen anderen Bundeländern ist die Schulmediation noch nicht so weit verbreitet. Hier wäre etwas mehr Engagement sinnvoll und aus unserer Sicht notwendig. Und je professioneller dies durchgeführt wird, umso wirkungsvoller wird dies sein. Und auch das kann eine spannende und nachhaltige Aufgabe sein, die durchaus überschaubar ist und bei der viel Positives von den Kindern zurückkommt, da sie eine andere, neue Form des Lernens und der Konfliktlösung erleben.

Mediation ist ein Handwerk. Um gut zu sein und unseren Kunden eine gute Qualität bieten zu können bedarf es neben einer fundierten Ausbildung der Praxis. Viele, die eine Mediationsausbildung absolvieren, machen dies, um sich beruflich weiter zu qualifizieren und die erworbenen Kompetenzen in Form von Haltung und Techniken in ihren Job einzubringen. Ohne dies empirisch belegen zu können, haben wir den Eindruck, dass diese Personen wichtige Multiplikatoren sind, um zu mehr organisationsinternen Mediationen zu kommen. Gleichzeitig müssen wir alle, die mehr Mediationen machen möchten, Angebote schaffen, in denen wir mit unseren Kompetenzen und als Personen mit unserem Angebot zur konstruktiven Konfliktbearbeitung sicht- und erlebbar werden. Diese Angebote müssen, so wenigsten unsere Erfahrung, niedrigschwellig sein. Das heißt, Menschen müssen erst einmal eine Idee bekommen und Vertrauen in uns und letztlich auch in sich selbst bekommen, die Dinge wieder in die eigene Hand zu nehmen.

(Michael Cramer)