klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Was tun mit der Chefin?

Die Rolle der Führungskraft in der Mediation | Newsletter 2/2017

In der Mediation in Unternehmen und Organisationen spielen Führungskräfte eine wichtige Rolle. Entweder als diejenigen, die die Mediation initiieren und / oder als diejenigen, die zumindest mittelbar an dem Konflikt beteiligt sind.

Eine unserer Grundthesen ist, dass die Sicherung einer angemessenen Kommunikation in einer Organisation, und damit auch die Bearbeitung von Konflikten zwischen Mitarbeiter/innen, eine Führungsaufgabe ist. Damit wird auch klar, dass Führungskräfte immer auch in die Bearbeitung involviert sind.

Eine besondere Herausforderung in der Mediation ist der Umgang mit Ängsten auf allen Seiten: Der Umgang mit Unsicherheiten bezüglich von Konsequenzen bei den Mitarbeiter/innen, wenn sie in der Mediation ihre Führungskraft kritisieren oder die Sorge um Ablehnung der eigenen Position im „Augenblick der Wahrheit“.

Von Seiten der Führungskraft gibt es häufig Vorbehalte, denn es gibt manchmal das Gefühl, dass man vor den eigenen Mitarbeiter/innen als schwach dastehen könnte und in der Mediation die Position als Führungskraft in Frage gestellt werden könnte.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann es sein, dass die Führungskraft die Mediation bloß beauftragt. Der Konflikt sich also nur zwischen den Mitarbeiter/innen zeigt. Die andere Möglichkeit ist, dass die Führungskraft die Mediation zwar beauftragt, selbst aber Teil des Konflikts ist, also auch an der Mediation teilnimmt. Beleuchten wir zunächst die erste Variante:


Die Führungskraft beauftragt die Mediation nur

Das Thema der Beauftragung einer Mediation im Dreieckskontrakt haben wir im vorletzten Newsletter ausführlich behandelt. Aber egal wie sauber eine Mediation kontraktet wurde, immer wieder geschieht es, dass das Verhalten der Führungskraft in der Mediation kritisiert wird, diese zum Teil wegen vergangener Entscheidungen für den Konflikt mitverantwortlich gemacht wird.

Würden wir uns an dieser Stelle der Kritik der Kolleg/innen anschließen, würden wir „Verrat“ an unserem Auftraggeber begehen, würden wir die Kritik unter dem Verweis auf strukturelle Gegebenheiten wegwischen, geriete die Mediation in Gefahr. Unser Ausweg aus dieser Situation ist die Selbststärkung der Konfliktparteien: Wie können die Parteien Strategien erarbeiten ihrer Führungskraft Rückmeldungen zu geben. Und zudem gilt hier auch der Grundsatz, dass auch wir in Absprache mit den Parteien strukturelle Rückmeldungen an unseren Auftraggeber geben können. Vertraulichkeit im Persönlichen, aber Offenheit im Strukturellen, heißt hier der Grundsatz.

Newsletter-2-17-2

Die Fallen, die es in diesem Modell gibt, sind Über- bzw. Unteridentifikation mit den Parteien oder dem Auftraggeber. Entweder wir schlagen uns unbewusst auf die eine oder die andere Seite. Beides gilt es zu verhindern.


Die Führungskraft ist Teil der Mediation

Die Herausforderungen bei dieser Variante sind: Wie kann die Führungskraft angemessen mit eingebunden werden, ohne dass sie das gesamte Gespräch dominiert? Und gleichzeitig: Wie kann die Führungskraft geschützt werden, so dass sie zwar ihren Teil der Verantwortung für den Konflikt übernimmt, aber die Teile, die jenseits ihrer Verantwortung liegen, gut bearbeitet werden können? Auf der anderen Seite gilt es aber auch, die Mitarbeiter/innen vor „Kolateralschäden“ durch ausgesprochene Kritik an der Führungskraft zu schützen.

Newsletter-2-17-1

Unserer Erfahrung nach ist es in dieser Variante der Mediation besonders wichtig, im Vorfeld das Verfahren und den Ablauf der Mediation besonders gut zu klären. Nur mit einer guten Vorbereitung und einer klaren Beauftragung kann verhindert werden, dass die Führungskraft in der Mediation zu viel oder auch zu wenig Verantwortung übernimmt.

Zum anderen ist es unsere Aufgabe, die genauen Verantwortungen für die Themen und Einzelkonflikte herauszuarbeiten. Beziehungskonflikte zwischen Mitarbeiter/innen oder zwischen der Führungskraft und einzelnen Mitarbeiter/innen müssen erst einmal zwischen diesen geklärt werden. Hier haben nur diejenigen etwas beizutragen, die in den Konflikt involviert sind. Wenn sich im Verlauf der Klärung herausstellt, dass bestimmte Konflikte auch eine strukturelle Komponente haben, ist diese deutlich als solche zu benennen. Hier kann es sein, dass die Führungskraft Verantwortung trägt und diese auch wahrnehmen muss. Entweder indem sie etwas verändert, oder darauf verweist, dass sie diese Punkte nicht verändern kann.

Grundsätzlich ist es so, dass Führungskräfte in der Mediation in einem Dilemma stecken: Sie müssen auf der einen Seite die Ziele des Unternehmens oder der Organisation im Blick behalten, auf der anderen aber auch die ihrer Mitarbeiter/innen und schlussendlich auch ihre eigenen. Verfolgen sie nur eine Seite, bekommen sie Vorwürfe und Kritik von der anderen Seite. Führungskräfte, die sich sehr stark um die Belange ihrer Mitarbeiter/innen kümmern, laufen Gefahr vor allem die Ziele der Organisation aus dem Blick zu verlieren. Chefs, die sich zu stark mit den Zielen der Organisation identifizieren und gleichzeitig die ihrer Mitarbeiter/innen ignorieren, verlieren den Blick für die berechtigten Belange der Kolleg/innen.

Das Ziel jeder Mediation ist Perspektivwechsel. Dieses Modell der unterschiedlichen Ziele einer Führungskraft im Kopf zu haben oder auch den Konfliktparteien zur Verfügung zu stellen, kann helfen Verständnis für das Handeln der Führungskraft herzustellen. Auch als Leitung ist man nicht frei, sondern hat unterschiedliche Interessen zu bedienen.

Mediation will Brücken des Verständnisses bauen und Perspektiven eröffnen. Gibt es in einer Organisation Konflikte, bedeutet dies, dass Kommunikationen abgebrochen wurden, mithin also Kritik und Feedback nur noch eingeschränkt stattfinden können. Die Sicherung einer angemessenen Kommunikation in einer Gruppe ist immer auch eine Führungsaufgabe. Ist die Führungskraft in der Mediation dabei, kann sie beim Wiederaufbau dieser Kommunikationskultur einen entscheidenden Beitrag leisten. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir als Mediatoren es schaffen die Perspektiven aller hör- und verstehbar zu machen.

Neben der Klärung von Konflikten kann ein Ergebnis der Mediation auch sein, dass die Leitung eine über die Mediation hinausgehende Unterstützung benötigt, um ihre Aufgaben angemessen ausfüllen zu können. Dies könnte zum Beispiel ein Coaching sein, in dem sie ihr Rollen- und Aufgabenverständnis schärft und Werkzeuge zur Aufgabenerfüllung schärft oder neu in ihr Handlungsrepertoire mitaufnimmt, um langfristig handlungsfähiger zu werden, oder, wenn die Schwierigkeiten im Wesentlichen strukturell begründest sind, einen Organisationsberatungsprozess.

(Michael Cramer)