Mediation mit Gruppen & Teams
Newsletter 1/2013
In Mediationsprozessen, in die viele Personen einbezogen sind, ist es nötig und sinnvoll, dass die Mediator/innen klar strukturiert arbeiten, insbesondere, weil bei den Parteien gute Kommunikationsstrukturen verloren gegangen sind. Dies beginnt schon bei der Themensammlung. Oft liegen die Themen oder Fragestellungen in der Luft, doch sie werden von den Teilnehmer/innen nicht oder nur ungenau benannt. Es gibt Ängste und Vorbehalte, sich zu outen, gar als Nestbeschmutzer zu gelten oder aber etwas loszutreten, von dem man glaubt, es selbst nicht mehr auffangen zu können. Alle scheinen darauf zu warten, dass einer die Leiche aus dem Keller holt. Macht aber meist keiner.
Um solch einer Situation vorzugreifen, nehmen wir Teams zu Beginn der Mediation gern mit in eine soziometrische Aufstellung. Damit können erste (Ver)Spannungen gelöst werden, die Einzelnen geraten in Bewegung und in verschiedene räumliche Beziehungskonstellationen zu ihren Kolleg/innen. Das Skalensystem, in das sich jede/r zuordnen soll, wird kurz von den Mediator/innen im Raum erklärt.
Die erste Frage bringt die Mediand/innen miteinander in Kontakt und betrifft meist Fragen nach dem Ort der Herkunft oder der Kindheit, die nächste etabliert den Bezug zur gemeinsamen Arbeit (Dauer der Firmen- oder Teamzugehörigkeit o.ä.) und schließlich stellen wir die Frage nach der momentanen Zufriedenheit im Team. „So wie es gerade in unserem Team ist, ist es ganz schrecklich. Ich habe schon gar keine Lust mehr zu arbeiten.“ bis „Superteam, ich komme jeden Tag sehr gerne her.“ Jetzt kann jede/r einzelne nach den Gründen der eigenen Positionierung befragt werden und im gleichen Atemzug eine Perspektive entwickeln, was geschehen müsste, wenn man eine Position nach oben oder auch unten auf der Skala rücken würde.
Damit haben wir in kürzester Zeit einen Überblick über die dringendsten Themen und Konflikte bekommen und gleichzeitig auch eine Perspektive darauf, wohin es gehen könnte, wenn es besser werden soll. Und wir nutzen gleich zu Beginn die Möglichkeit, jedem Einzelnen empathisches Verständnis entgegenzubringen und dieses auch den anderen zur Verfügung zu stellen. Bestenfalls kommt hier schon vieles auf den Tisch, Positionen und Haltungen, aber auch Bedürfnisse und Emotionen. Eine Fundgrube für uns Mediator/innen, um anschließend gemeinsam mit dem Team die aufgetischten Speisen zu bewundern und zu wertschätzen, um diese dann in eine Menüfolge (das Dringendste zuerst) zu bringen. Dann darf gemeinsam gespeist werden, doch meist kommt auch hier der süße Nachtisch zuletzt.
Sind die Themen gesetzt, können wir in die Konflikterhellung einsteigen. Wenn hier verengte Sichtweisen aufeinandertreffen, Blockaden und Ängste einen Perspektivwechsel verhindern, kann auch mal eine Geschichte weiterhelfen.
In einem Team eines größeren Unternehmens hatte sich eine Konfliktkultur etabliert, die vorwiegend aus Rückzug, Sich-Einigeln und hinter dem Rücken reden bestand. Die Kolleg/innen hatten Angst, sich offen zu äußern und waren auch sehr unsicher im Annehmen von Kritik. Wir, die dies schon aus der ersten Sitzung wussten, erzählten zum Einstieg der zweiten Sitzung, dass wir kürzlich in einer Schülergruppe mediiert hatten und die Schüler gebeten hatten, auf den Hof zu gehen und sich fünf Minuten mal richtig die Meinung zu sagen, sich anzuschreien, sozusagen „die Sau rauszulassen“, um Ärger und Stress loszuwerden und Druck abzulassen. Die einzige Regel sei gewesen, sich körperlich nicht anzugreifen. Als die Schüler/innen wieder in den Raum zurückkamen, wirkten sie erleichtert und berichteten, dass es ihnen nicht gelungen sei, sich fünf Minuten lang anzuschreien, sondern dass sie schließlich lachen mussten und dann ganz einfach hätten miteinander reden können. Dies sei ein interessantes Experiment gewesen, aber vielleicht funktioniere es nur mit Kindern. Alle schmunzelten über die Geschichte und wir begannen, mit dem Team in die Konflikterhellung einzusteigen.
Später, als die Teilnehmer/innen verstummten, weil sie nicht wagten, Kritikpunkte anzusprechen, boten wir dem Team an, den Raum für eine halbe Stunde zu verlassen, um Themen zu zweit miteinander zu klären. Dabei sollten sie die Möglichkeit nutzen, sich gegenseitig für ein paar Minuten anzuschreien. Es ging wieder ein Schmunzeln durch die Runde, ungläubig, vielleicht ein wenig verschämt, bei einigen blitzte ein Hoffnungsschimmer auf. Eine Teilnehmerin ergriff mutig die Initiative und sprach eine Kollegin an, ob sie bereit sei, mit ihr draußen etwas zu klären. Diese schien überrascht und gleichzeitig auch erleichtert, willigte ein und die beiden entschwanden kichernd aus dem Raum. Die Anspannung entwich auch aus den übrigen Gesichtern im Team. Es wollte zwar kein weiteres Paar den Raum mehr verlassen aber alle erklärten sich bereit, an konkreten Beispielen ihre Konflikte zu klären. In kürzester Zeit bearbeiteten wir in großer Runde drei Konflikte zwischen zwei Kolleg/innen bzw. zwischen Kleinteams, erste Lösungsansätze wurden gefunden. Die beiden Kolleginnen, die den Raum verlassen hatten, kamen nach einer dreiviertel Stunde zurück und berichteten, dass sie sich ausgesprochen hätten. Der Rest des Teams schien erleichtert, immerhin waren sie ja lange weggewesen. Die beiden wurden von uns über den Stand der Konfliktklärung im Team informiert und wir setzten die gemeinsame Sitzung fort.
In der Phase der Lösungsfindung in großen Gruppen besteht die Kunst darin, alle Teilnehmenden aktiv in die Erarbeitung von Kriterien und Optionen einzubeziehen, damit die gefundene Lösungen am Ende auch eine Chance haben, umgesetzt zu werden. Einfach anzuwenden ist das Verfahren des Schenkens und Bittens, in der jede Partei überlegt, was sie geben möchte und was sie sich von der anderen Partei wünscht. Mit folgenden zwei Fragen kann dies konkretisiert werden: 1. Was biete ich dem anderen / der anderen Gruppe an, damit sie ihre Arbeit besser machen kann und 2. Worum bitte ich die andere Person / die andere Gruppe, damit ich meine Arbeit besser ausführen kann. Jede Partei überlegt getrennt, was so belassen werden kann, was neu, mehr, weniger oder gar nicht (mehr) getan werden soll. Anschließend können die Parteien mit Unterstützung der Mediator/innen ihre Wünsche und Bitten anhören, ein gegenseitiges Verständnis dafür entwickeln und anschließend über die konkreten Vorschläge verhandeln. Diese Methode hilft, die Konzentration auf das Prinzip des gegenseitigen Austausches, des Gebens und Nehmens zu richten, was dazu beiträgt, bedürfnisorientiert Lösungen zu suchen und nicht in eine Forderungshaltung zurückzufallen. (Siehe dazu auch Rudi Ballreich „Schenken und Bitten“ in Konfliktlösungs-Tools (Hrsg. P. Knapp))
Selbstverständlich laufen auch Mediationen mit mehr als zwei Parteien nach dem Phasenmodell ab. Deutlich wird aber auch an den Beispielen für unterschiedliche Bearbeitungsmethoden, dass in aller Regel für den Einzelnen in einer Teammediation nicht so viel Zeit zur Verfügung steht wie in einer Mediation mit zwei Parteien. Auch deshalb versuchen wir schon gleich zu Beginn mehr in die Tiefe zu gehen. Und: In der Teammediation gilt das Gleiche, was auch in der Mediation mit zwei Konfliktparteien gilt: Je emotionaler ein Thema benannt wird, desto dringender ist es zu bearbeiten. Durch intensives Spiegeln der Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse in der soziometrischen Aufstellung können erste Punkte schon geklärt, zumindest aber entschärft werden. Und auch wenn es auf Grund einer Begrenzung des Zeitbudget nicht zu einer Klärung aller offenen Fragen gekommen ist, wird durch eine Mediation die Grundlage für eine neue Gesprächskultur gelegt.
(Carolin Pierau-Guerrero)