klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Mediation in der Klasse

Wie kann Mediation in der Schule helfen? | Newsletter 2/2014

Eine typische Situation, wie sie oft vorkommt: Das Telefon klingelt und eine Mutter meldet sich. Sie sei Elternvertreterin und in der Klasse ihres Kindes gäbe es viele Konflikte. Die Lehrer seien mit einer Mediation einverstanden heißt es und wir sollen nun einen Tag mit den Jugendlichen arbeiten. Ziel sei es, dass hinterher eine gute Atmosphäre herrscht, so dass alle Schülerinnen und Schüler einen anständigen MSA machen, um einen soliden Ausbildungsplatz zu bekommen oder ihr Abitur machen können.

Aus unserer Sicht reicht es meist jedoch nicht, einen Tag mit den Schülerinnen und Schülern zum Thema Konflikte zu arbeiten oder den Umgang untereinander zu thematisieren.

Gehen wir von einer durchschnittlichen 9. Klasse aus, so kommen je nach Schulform um die 25-30 Jungen und Mädchen aus verschiedenen Familienstrukturen in einer Art Zwangsgemeinschaft zusammen, die 30 Stunden in der Woche miteinander verbringen müssen. Viele der Jugendlichen sind in diesem Alter weniger an den Inhalten des Unterrichts interessiert als vielmehr an den Beziehungen der Klassenkameraden untereinander. Die schulische oder berufliche Zukunft müsste Thema sein, aber wer Germanys next Topmodel wird, scheint momentan viel interessanter. Außerdem variiert das Alter der Jugendlichen oft extrem durch die frühe Einschulung, Verbleiber, Wiederholer oder Auslandszeiten. So sind Altersspannen von vier Jahren nicht selten. Hinzu kommt die multikulturelle oder religiöse Vielfalt - insbesondere in den Großstädten.

Weiter spielen die Lehrerinnen und Lehrer eine signifikante Rolle in diesem System: Fünf, sechs verschiedene Persönlichkeiten, engagierte, eingefahrene oder durch Arbeitsbedingungen, Schulreformen oder Verwaltung frustrierte. Ihre Aufgabe soll es sein, Inhalte zu vermitteln, zu motivieren, anzuleiten und Vorbild zu sein, sind vor allem als Mensch gefragt. Nicht zuletzt spielen die Eltern und Familien eine besondere Rolle, auch wenn sie nicht täglich in der Schule anwesend sind. Die Erwartungen, die sie an ihre Kinder stellen, sind sehr unterschiedlich. An den jeweiligen Enden der Skala sind einerseits die überengagierten Helikopter-Eltern, andererseits die bildungsfernen Eltern, die kein Interesse an den schulischen Belangen ihrer Kinder zeigen und sich weder zum Elternabend noch zum Schulfest zeigen. Dazwischen liegt eine ganze Bandbreite.

In diesem Kontext ist es sinnvoll möglichst alle Beteiligte in den Prozess einzubinden. Ein erster Schritt ist die Auftragsklärung, mit den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern und einer Auswahl Jugendlicher, z. B. mit den Klassensprechern. Mit Hilfe einer Konfliktanalyse kann geklärt werden, welche Konflikte und Schwierigkeiten in welchen Zusammenhängen auftreten und was mit welchen Beteiligten wie geklärt werden muss. Eine systemische Arbeit ist hier notwendig, denn nur mit einem Teil des Systems zu arbeiten, zum Beispiel nur mit den Jugendlichen, kann zwar einen motivierenden Impuls geben, aber keine umfassenden und langfristigen Veränderungen herbeiführen.

Die Arbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern könnte beispielsweise so aussehen, dass in einzelnen Konflikten Mediationsgespräche stattfinden, dass in Form von Supervisionen der Umgang mit einzelnen Jugendlichen oder Familien thematisiert wird und in individuellen Coachings der eigene Stil eine Klasse zu führen hinterfragt und gegeben falls verändert wird oder in Seminaren ein effektiver Umgang mit Stress erarbeitet wird.

Mit den Eltern könnte in moderierten Elternabenden- oder Nachtmittagen gearbeitet werden, um eine gemeinsame Basis für die Förderung der Kinder festzulegen. Hierbei ist natürlich zu beachten, dass zu Hause letztendlich jede Familie ihren eigenen Erziehungsstil beibehalten wird, eine Sicherung der verabredeten Umgangsweisen ist dadurch nicht einfach zu erzielen. Eine solche Zusammenarbeit kann als Bewusstmachung der Konfliktebenen dienen und wir als Mediatorinnen oder Berater müssen uns der Grenzen bewusst sein.

Eine weitere Ebene ist die bereits angesprochene Arbeit mit den Jugendlichen. Wenn mit allen Jugendlichen gemeinsam gearbeitet wird, können viele Methoden für die Arbeit mit Gruppen genutzt werden. Wichtig ist hierbei darauf zu achten, die Jugendlichen ihrem Alter gemäß anzusprechen und den Kontext Schule ausreichend zu berücksichtigen. Methoden, wie eine soziometrische Aufstellung und Kleingruppenarbeit, die sie motivieren, ihre Meinung zu vertreten und an einer Lösung mit zu arbeiten, sind hier meist erfolgversprechend. In jedem Fall sollten alle Jugendlichen zu Wort kommen, egal ob verbal oder schriftlich.

Nicht vergessen möchte ich die Schulleitung, bei der es erfahrungsgemäß sinnvoll sein kann, sie in das Gesamtverfahren einzubinden. Erstens sollte die Schulleitung natürlich informiert werden, was an der Schule so passiert, dann sollte sie aber auch unterstützend tätig sein. So können die Lehrer zeitweise freigestellt werden, Räume zur Verfügung gestellt werden und nicht zuletzt eine finanzielle Unterstützung stattfinden.

Wenn eine Arbeit auf all diesen Ebenen gelingt, können alle Beteiligten davon profitieren.

(Zoë Schlär)