Macht & Verantwortung
und wie wir ihr in der Mediation gerecht werden können | Newsletter 3/2011
Bei einem stark ausgeprägten Machtverhältnis in der Mediation, werden die Grenzen einer einvernehmlichen Konfliktlösung schnell sichtbar. Wird eine der Konfliktparteien unterdrückt oder zur Mediation gedrängt, so kann der Mediator als neutraler Vermittler das Ungleichgewicht bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, indem Schuldzuweisungen, Beeinflussungsversuche oder Drohungen während des Verfahrens unterbunden oder zumindest offengelegt werden. Eine weitere Eskalation des Konfliktes kann für den Moment verhindert werden. Aber in wie weit ist eine einvernehmliche Lösung durch Perspektivenübernahme oder verhandeln auf Augenhöhe überhaupt möglich, wenn in der Machtbeziehung der Konfliktpartner ein großes Gefälle vorhanden ist?
Wo sind die Grenzen bei der Mediation in Unternehmen, inwieweit können hier offizielle oder inoffizielle Hierarchien ausgeglichen werden? Und wie sieht es aus in der Familienmediation? Können und dürfen beispielsweise Jugendliche in der Mediation gleichberechtigt neben den Eltern Verantwortung für eine Lösungsstrategie übernehmen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Balance nur hergestellt werden kann, wenn
1. beide Seiten ein Eigeninteresse an einer Lösung des Konfliktes haben,
2. die unteren Hierarchieebene bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und
3. auf der oberen Hierarchieebene Bereitschaft signalisiert wird, Verantwortung abzugeben.
Fallbeispiel:
Zwischen einer Mutter und ihrem jugendlichen Sohn gab es massive Auseinandersetzungen und Verletzungen. Er lebt seit der Trennung der Eltern bei seinem Vater und besucht die Mutter jedes zweite Wochenende. Durch die regelmäßigen Streitereien mit der Mutter, wollte er den Kontakt zu ihr endgültig beenden. Eine Mediation erschien nach dem Vorgespräch sinnvoll, weil beide Seiten ein Interesse an einer Lösung hatten (die Mutter wollte ihr Kind sehen, der Sohn wollte seine Ruhe haben). Der Jugendliche war von Anfang an bereit, die Folgen seines Handelns auf sich zu nehmen. Die Mutter war bereit, ihm die Verantwortung für sein Handeln zu überlassen. In den ersten Sitzungen konnte trotz Offenheit kein Ergebnis gefunden werden, mit dem beide Seiten glücklich waren. Durch den hohen Erwartungsdruck seitens der Mutter, baute sich der Gegendruck des Sohnes extrem auf. In darauf folgenden Einzelgesprächen, hatten Mutter und Sohn die Gelegenheit zur Selbstreflexion ohne Druck und mithilfe von Feedback durch den Mediator. Durch die in den Einzelgesprächen gewonnene Klarheit im Hinblick auf die Gefühle, konnten beide Seiten konkrete Wünsche an den anderen äußern. Die Basis für einen gemeinsamen Lösungsprozess war damit gegeben.
(Zoë Schlär)