Mediation in Belarus I
Mediationstraining in Belarus | Newsletter 2/2010
Die Anreise
Langsam wollte ich mich Minsk nähern, der Hauptstadt von Belarus. Hier sollte ich in den nächsten Tagen für den „Bund für Soziale Verteidigung“ ein Mediationstraining durchführen. Darum nahm ich die Bahn von Berlin nach Minsk, einem Teil der legendären Paris – Moskau Verbindung, in dieses unbekannte und doch so nahe Land. Weißrussland, heißt es in einem Reiseführer, wird seinem Namen gerecht, weil es als weißer Fleck auf der touristischen Weltkarte gilt. So gab es im ganzen Zug nur einen Touristen, der eine alte Freundschaft zu einem in Brandenburg stationierten ehemaligen sowjetischen Soldaten aufleben lassen wollte.
Wie komfortabel die Reise wird, warnte man mich, hängt davon ab, ob man mit russischen, weißrussischen oder polnischen Waggons fährt. Ich hatte einen weißrussischen Waggon, die drittbeste Variante. Neben einer eher eintönigen Fahrt durch sehr flaches Land war für Eisenbahnfans der drei Stunden dauernde Radgestellwechsel nach dem Bahnhof "Brest Central" eine willkommene Abwechslung. Hier wird jeder Wagen einzeln abgekoppelt, hochgehoben und das gesamte Räderwerk ausgewechselt, um einer anderen Spurbreite der Schienen in Belarus gerecht zu werden.
Minsk wurde im zweiten Weltkrieg zu 95 % zerstört. Mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg hat die Stadt ein eher modernes Gesicht bekommen: Repräsentative Verwaltungsgebäude und ein Prachtboulevard sowjetischen Stils. Auffällig ist, wie sauber die Stadt ist. Gerne wird sie mit Singapur verglichen, was zumindest für die Innenstadt durchaus zutrifft.
Das Training
Das Training war eine Auftaktveranstaltung, um interessierten Pädagoginnen, Jurist/innen und Psychologinnen die Grundzüge der Mediation zu vermitteln. Der langfristige Wunsch der 15 Teilnehmer/innen ist, das Mediationsverfahren in der eigenen Institution nicht nur anzuwenden, sondern auch weiterzuvermitteln. Dementsprechend waren die Erwartungen der Teilnehmer/innen an dem Training relativ hoch und in der Kürze der Zeit eine echte Herausforderung. Allerdings: Alle waren sehr engagiert und das Training konnte auf einem hohen Niveau durchgeführt werden.
Nach einem gelungenen Einstieg am ersten Tag war der Wunsch von Einigen für den nächsten Tag nicht so schnell und nicht so sehr in die fachliche Tiefe zu gehen, andere Teilnehmer wünschten sich genau das Gegenteil. Diese Wünsche spiegelten den Erfahrungsunterschied der Teilnehmer mit der Mediation wieder, der von: noch keine Kenntnisse, bis hin zu: ich habe schon mediiert, reichte. Diese Unterschiede berücksichtigend waren die nächsten Tage geprägt von Wissenshunger, Respekt vor dem Verfahren und intensivem Arbeiten.
Die Entscheidung, das Training nicht in Englisch ohne Dolmetscher, sondern in Deutsch durchzuführen, erwies sich als die bessere Alternative. Perfekte, nahezu simultan übersetzte Inhalte führten kaum zu einer Verlangsamung der Wissensvermittlung, sondern eher zu einer angenehmen Entschleunigung. Unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen war aber, dass die Arbeitsmaterialien frühzeitig ins Russische übersetzt wurden und als Script allen Teilnehmer/innen zur Verfügung standen.
Interessant war, dass Warm-Ups, Übungen zur Teamentwicklung oder zum „Wachwerden“ gerne und interessiert mitgemacht, aber von manchen als „verlorene“ Zeit betrachtet wurden, auch wenn sie nur 5 Minuten dauerten. Hier gab es einen Interessenkonflikt zwischen Wissbegierde, neuen Methoden und Zeitknappheit. Ansonsten gab es keinen besonderen Unterschied zwischen diesem Training und Anderen, in Deutschland durchgeführten Trainings. Vielleicht noch, dass sich die russische Sprache mit ihrem hohen Konsonantengehalt für meine Ohren vortrefflich dazu eignet, in den Rollenspielen heftig zu streiten, wie auch, sich gefühlvoll zu versöhnen.
Nach dem Abschluss-Feedback hatte ich den Eindruck, dass die Erwartung des Veranstalters an das Training erfüllt wurde: Eine Einführung in die Methode/das Verfahren der Mediation hat einen Prozess eingeleitet, Mediation in Belarus bekannt zu machen. Gespannt bin ich auf das erste Mediationsbuch aus Belarus, welches aus den Erfahrungen des Trainings entstehen soll.
(Wilhelm Eßer)