klären & lösen – Agentur für Mediation in Berlin

Mediation in Belarus II

Mediator/innen aus Belarus zu Besuch in Berlin | Newsletter 2/2011

Im letzten Jahr berichteten wir im Newsletter 2/2010 von meiner Reise nach Weißrussland und dem vom Bund für Soziale Verteidigung (BSV) vermittelten Auftrag, interessierten Pädagoginnen, Jurist/innen und Psychologinnen aus Minsk die Grundzüge der Mediation zu vermitteln. Am Ende der Ausbildung war von den Teilnehmer/innen der Wunsch formuliert worden, eine Studienreise nach Deutschland zu unternehmen, um Institutionen der hiesigen Mediationslandschaft kennen zu lernen und Anregungen zu bekommen, Mediation in Belarus bekannt zu machen und in unterschiedlichen Zusammenhängen zu institutionalisieren.

Und so planten und organisierten wir von klären & lösen gemeinsam mit dem BSV den Besuch der weißrussischen Mediator/innen in Berlin vom 22. – 27. Februar 2011. Bei der Auswahl der zu besuchenden Orte legten wir Wert darauf, aus den Bereichen Schule, Gemeinwesen, Justiz und professionell betriebenen Vereinen, Institutionen oder Firmen beispielhafte Projekte zu finden, die sich aktiv mit dem Thema Mediation beschäftigen und bereit waren und die Zeit hatten, ihre Arbeit vorzustellen und in den Austausch mit der Gruppe zu treten.

Unsere anfängliche Sorge, nicht genug interessierte Gesprächspartner zu finden, erwies sich als unbegründet. Alle angefragten Projekte waren sofort dazu bereit, die Gruppe zu empfangen und über ihre Arbeit zu berichten.

Begegnungen

Am ersten Morgen, kurz nach der Ankunft in Berlin, begrüßten wir die Gruppe mit einem Frühstück in unseren Räumen. Hier stellten sich die Teilnehmer/innen vor und sprachen über ihre Erwartungen an die Studienreise. klären & lösen stellte danach das Programm vor, das in fast genau den Hoffnungen der Studiengruppe entsprach. Das machte Lust auf die nächsten Tage. Ein Einblick in die Arbeit von klären & lösen und ein Grußwort von Dr. Ute Finckh-Krämer aus dem Vorstand des BSV rundeten das Vormittagsprogramm ab.

Am Nachmittag und in den folgenden Tagen besuchte die Gruppe die verschiedenen Institutionen, begleitet von mir und meiner Kollegin Carolin Pierau-Guerrero. Die verschiedenen Treffen waren von den jeweiligen Projektleitern gut vorbereitet und die Gruppe war jedes Mal herzlich willkommen. Zu Beginn wurde jeweils die Institution und seine Mitarbeiter/innen vorgestellt, dann über aktuelle Fälle und Projekte gesprochen und am Ende verschiedene Themen lebhaft diskutiert. Der Austausch schien für beide Seiten bereichernd zu sein und wir hatten das Gefühl, dass die Treffen für beide Seiten ein Gewinn waren.

Auswertung

Jedes Treffen hatte für die Gruppe neue, überraschende und spannende Aspekte. Das zeigte sich vor allem an der hohen Aufmerksamkeit den unterschiedlichen Themen gegenüber, an den vielen interessierten Fragen an die Referenten/innen und dem regen Austausch untereinander. Besonders hervorzuheben ist, dass nicht nur die Sachthemen bedeutsam waren, sondern diese von Menschen präsentiert wurden, die sich sehr stark mit ihrer Arbeit identifizieren und so einen lebhaften und authentischen Eindruck bei der Gruppe hinterließen. Zum Ende wurden Adressen ausgetauscht, weitere Kontakte geplant und sich herzlich verabschiedet.

In der Auswertung konnte jeder Teilnehmer in einem Rückblick beschreiben, was für ihn/sie an besonderen Erkenntnissen der jeweils besuchten Institution bedeutsam waren. Bei zwei Erkenntnissen waren sich alle einig:

Im Bereich Schule fand die Idee der „Senior Partners in School“ (pensionierte Menschen zu Mediatoren/innen ausbilden und ehrenamtlich in Schulen einsetzen) großes Interesse. Es wird überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, das Programm auf belarussische Verhältnisse zu übertragen. Viele Ideen wurden beim Besuch der beiden Schulen gewonnen. Fest stand, dass die Einführung von Mediation/Streitschlichtung an Schulen weiter gefördert werden soll. Überlegt wird, ob hier ein/e deutsche/r Trainer/in die weißrussischen Mediator/innen bei der Ausbildung unterstützen kann. Auch eine Kooperation oder ein Schüleraustausch mit einer Berliner Schule waren inspirierende Ideen. Interessant war der Aspekt, auch die Eltern in ein Konfliktlotsenprogramm mit einzubeziehen. In der Schule könnten die Schulpsychologen/innen gewonnen werden, die Konfliktlotsenprogramme zu installieren.

Besuch aus Belarus

Im Bereich Gemeinwesenmediation sollen, inspiriert durch die Arbeit von Lösungsweg e.V. in Potsdam, neue Bereiche erschlossen werden. So wollen die Teilnehmerinnen versuchen, mit Polizei und Jugendämtern zusammenzuarbeiten. Im Weiteren soll es mehr Austausch zwischen deutschen und belarussischen Mediationsprojekten geben, gemeinsame Studienreisen könnten dazu beitragen.

Im juristischen Bereich soll versucht werden, die „Juristische Klinik Minsk“ mit anderen juristischen Kliniken zu vernetzen und die Möglichkeiten der gerichtsinternen Mediation zu erörtern. (Juristische Kliniken sind ein universitäres Projekt und bieten unter anderem kostenfreie Rechtsberatung an und engagieren sind in der Menschenrechtsarbeit).

Deutlich wurde, dass sich die Teilnehmer/innen wünschen, dass Mediation auch in Belarus bekannter wird. Ideen dazu sind Runde Tische, Artikel in Fachzeitschriften, Konferenzen in Belarus zum Thema Mediation mit deutschen Referent/innen und Teilnehmer/innen wie beispielsweise Jurist/innen, ein Buch über Mediation zu verfassen und für Interessierte eine Bibliothek mit themenrelevanten Büchern aufbauen.

Fazit

Die Studienreise war für alle Beteiligten ein Gewinn. Die besuchten Projekte empfanden es als Ehre der belarussischen Gruppe ihre Arbeit vorzustellen zu dürfen und waren sehr offen bei der Darstellung und interessiert an den Fragen der Teilnehmer/innen. Verschiedentlich wurden Kooperationsvorhaben angedacht. Die Studiengruppe war berührt von dem herzlichen Empfang in den Projekten, fühlte sich gut begleitet von uns und war fasziniert von Berlin.

Auch wir waren beeindruckt davon, wie sorgsam die Treffen von den Projekten vorbereitet wurden und wie lebendig sich der Austausch darstellte. Auch die russischen Sprachkenntnisse einiger auf der hiesigen Seite hatte zu mehr Verständnis und Kontakt beigetragen.

Uns hat es große Freude bereitet, die Gruppe zu begleiten und auch wir fanden es spannend bekannte aber auch weniger bekannte Projekte zu erleben. Diese Erfahrung hat uns erneut darin bestärkt, an dem Thema dran zu bleiben und wir hoffen, gemeinsam mit dem BSV den Aufbau von Mediation in Belarus weiter unterstützen zu können.

(Wilhelm Eßer)