Mediation vs. Case-Settlement
Newsletter 4/2015
Immer wieder wird uns als Mediatoren die Frage gestellt, ob Mediation eigentlich in allen Fällen möglich sei, oder ob das nicht eher was für die leichten Fälle ist wo es vornehmlich um Beziehung geht, also kurz gesagt, um Fälle, in denen es nicht im Wesentlichen um Geld, sondern nur um die Kommunikation geht.
Im letzten Jahr habe ich an einem Mediationskongress teilgenommen, der vornehmlich von Juristen besucht wurde, auf dem diese Meinung vielfach vertreten wurde: Ohne fundierte Rechtskenntnisse sei bei komplexen Fällen, also solchen, bei denen viel Geld im Spiel sei, eine Mediation gar nicht möglich. Dass wir an dieser Stelle anderer Ansicht sind, kann man sich leicht vorstellen. Als Nicht-Juristen bearbeiten wir seit Jahren erfolgreich Mediationsfälle aus ganz unterschiedlichen Bereichen.
Am 14. November war Moti Mironi, Rechtsprofessor aus Haifa, zu Gast in der „Wahrnehmbar“ und hat aus seiner Arbeit als Mediator berichtet. Ohne hier alle Beispiele, von denen er berichtete, im Einzelnen aufzählen zu wollen, wurde sehr deutlich, dass gerade Mediation in Fällen, bei denen es um große Summen geht, einen Mehrwert schaffen kann, der ohne diese nicht zu erreichen gewesen wäre.
Im Folgenden möchte ich kurz seine Gegenüberstellung von Mediation und Case Settlement, welches ungefähr mit Schlichtung übersetzt werden kann, zusammenfassen:
Der Zeithorizont
Mediation ist ein Verfahren, welches auf die Zukunft hin gerichtet ist, die Vergangenheit wird nur insofern betrachtet, als es notwendig ist, die Zukunft zu gestalten. Case Settlement dagegen ist auf die Vergangenheit gerichtet. Hierbei wird geschaut, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist und was nun getan werden muss, um dies zu reparieren. Die Frage könnte also ungefähr so lauten: Mir ist in unserer Zusammenarbeit Unrecht geschehen, wie kann dieses Unrecht wieder ausgeglichen werden? Du hast mir etwas geliefert, was nicht einwandfrei war, wie können wir das wieder gut machen? Die Frage für eine Mediation würde hingegen ganz anders lauten: In der Vergangenheit ist etwas falsch gelaufen, wie können wir eine Lösung finden, die es uns ermöglicht, so etwas in der Zukunft zu vermeiden und unsere (Geschäfts)-Beziehung auszubauen?Die Parteien
In der Mediation sind die Parteien, soweit es irgend möglich ist, anwesend und sprechen für sich selbst. Im Case-Settlement verhandeln Vertreter der Parteien miteinander. Im Zentrum der Verhandlungen stehen Fakten, während hingegen im Zentrum der Mediation Gefühle und Bedürfnisse stehen. Das Ziel einer Mediation ist es, einen Mehrwert für und durch die Parteien zu erschaffen, nicht das Vorhandene in einem Vergleich zu teilen (create value vs. divide value). Jede gelungene Mediation hat einen transformativen Effekt. Die Parteien haben etwas über sich und den anderen gelernt und eine neue gemeinsame Basis für die Zukunft geschaffen. In der Schlichtung wird und kann dies im Wesentlichen nicht erreicht werden.Mediatoren und Schlichter
Wenn es in der Mediation um die Klärung von Gefühlen und Bedürfnissen geht, nicht um eine rechtliche Bewertung – und um die kann es in einer Mediation nicht gehen – sind Rechtskenntnisse für eine Mediation nicht erforderlich. Um auf der Basis von Fakten Lösungsvorschläge zu erarbeiten und diese den Parteien vorzuschlagen, sind Rechtskenntnisse sehr wohl erforderlich.Gleichwohl möchten wir hier unter keinen Umständen sagen, dass Rechtsanwälte nicht mediieren sollten, vielmehr geht es uns um eine Klärung der Rollen und um eine Bewertung von Rechtsbeständen in der Mediation.
Obwohl doch Mediation eigentlich das im umfassenden Sinne vernünftigere Verfahren ist, wird es häufig noch mit den sogenannten leichten Fällen in Verbindung gebracht. Moti Mironi hat mit seinen Beispielen aus Politik und Wirtschaft an diesem Abend eine Lanze für die Mediation gebrochen. Egal ob es um einen Disput zwischen zwei Fußballvereinen, um Transfergelder oder um die Beilegung eines Ärztestreiks in Israel ging, stets ging es um Lösungen, die mehr als den Kompromiss gesucht haben.
Gleichwohl plädierte er dafür, Mediation durch andere Verfahren der Alternativen Konfliktbeilegung (ADR) in den Fällen zu ergänzen, in denen Mediation scheitert, weil einzelne Parteien zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine bessere Lösung finden können oder wollen. Er führte als Beispiel einen Konflikt zwischen einem Wiener Hersteller von Medizinprodukten und dem israelischen Vertriebspartner an. Die nach Israel entsandten Vertreter des Herstellers hatten zwar eine für beide Seiten gute Lösung in der Mediation gefunden, aber nach Rücksprache mit ihrer Zentrale nur ein Mandat für Verhandlungen über Geld erhalten. In solchen Fällen sei es dann immer noch besser auf andere ADR-Verfahren umzuschalten, als keine Lösung zu finden. Doch auch bei diesem Beispiel kam es zu einem guten Ende: Bei einem zufälligen Wiedersehen erfuhr Moti Mironi, dass die erste in der Mediation gefundene Lösung nach anderthalb Jahren von beiden Parteien angenommen und umgesetzt wurde. Einmal in Gang gesetzt, hatte sich die transformatorische Wirkung der Mediation durchgesetzt.
Mit dem Mediationsgesetz in Deutschland ist ein wichtiger Schritt getan. Mediation als Verfahren ist definiert und verankert. Gleichwohl ist noch ein längerer Weg zu gehen: Mediation ist nicht nur das Verfahren für die weichen Fälle, die juristisch eh nicht zu klären sind, sondern eine Methode, die in vielen Bereichen einen Mehrwert für die Beteiligten erschaffen kann.
(Michael Cramer)