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es geht nur um uns... | Newsletter 3/2025
20 Jahre klären & lösen waren eine gute Gelegenheit sich noch mal zu errinnern. Was haben wir denn eigentlich so erlebt. Einige der Geschichten erzählen wir immer wieder mal gerne in unseren Mediationsausbidungen, andere sind vielleicht etwas unbekannter. Für uns, die wir ja auch unterschiedlich lange bei klären & lösen sind, sind sie bedeutend. Viel Freude mit den 20 Impressionen aus 20 Jahren.
Wie wir uns gefunden haben?
Vier Menschen machen zusammen eine Mediationsausbildung und herauskommt eine Selbständigkeit und ein Unternehmen: klären & lösen. Wir hatten uns 2004 aus unterschiedlichen Gründen entschlossen Mediation zu erlernen. Willy, um einen Konflikt zwischen seinen Eltern zu bearbeiten, Michael wollte lernen, wie er in seinen Seminargruppen besser mit Konflikten umgehen kann, Carolin aus ihrer Erfahrung als Teamleiterin mehr über Konfliktmanagement wissen, Zoe war einfach neugierig, Mediation genauer kennenzulernen. Von Anfang an waren wir begeistert und im Laufe der Ausbildung bei Jamie Walker und Birgit Keydel war klar: Wir wollen das unbedingt weitermachen und zusammen etwas auf die Beine stellen. Gesagt, getan. In Willys Küche erdachten wir unseren Namen, Flyer, Visitenkarten, Webseite nahmen Formen an – und wir hofften auf erste Aufträge.
Heute sind wir stolz darauf, wie aus dieser anfänglichen Idee ein gemeinsames Unternehmen geworden ist. Vier Menschen, vier Beweggründe – eine gemeinsame Vision: Konflikte klären und Lösungen finden, die für die Beteiligten einen spürbaren Unterschied machen.
Zwei Schulen in Gesundbrunnen
Ein Mediationsbüro ohne Aufträge? Das kann es nicht sein. Also wagten wir das Unmögliche – und nur wenige Monate nach unserer Gründung bewarben wir uns mutig auf ein großes Projekt: die Ausbildung und Begleitung zweier Schulmediations Projekte. Und – wir bekamen den Zuschlag! Das war ein echter Wendepunkt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir eher im „man müsste und könnte“ unterwegs. Nun wurde es ernst, in kurzer Zeit würden wir viele Dinge zu entwickeln: Von einem gemeinsamen Bankkonto bis hin zu Handouts für Schüler:innen und Erwachsene. Die Arbeit an Schulen und mit Quartiersmanagements hat uns bestimmt 10 Jahre begleitet. Aus der Erfahrung an den Schulen entstand die erste Schulmediationsausbildung und aus dieser heraus die erste Mediationsausbildung.
Ein Anruf der vieles verändert hat
Ich war gerade zusammen mit Willy bei einer Streitschlichterausbildung an einer Grundschule in Neukölln als Jamie Walker anrief und frage, ob ich Lust hätte Assistent bei einer ihrer Mediationsausbildungen zu sein. Ich habe sofort und spontan ja gesagt. Ich war so stolz. Seit ich Anfang 2000 begonnen hatte Seminare für Erwachsene zu geben, hatte ich eine große Freude daran, Wissen weiterzugeben. Und jetzt das! Es war eine echte Erweiterung. Obwohl es dieselbe Mediationsausbildung war, die ich drei Jahre zuvor gemacht hatte, war es für mich ein Quantensprung. Auf der anderen Seite des Seminarraums das weitergeben zu können, was mich zuvor so begeistert hat, war ein großartiges Gefühl. Und zudem habe ich in dieser Mediationsausbildung, „meiner“ ersten, ganz fantastische Menschen kennengelernt, die mich und klären & lösen noch viele Jahre begleitet haben.
Die Freude, die es mir damals gemacht hat, ist geblieben. Auch nach mehr als 15 Jahren.
Fünf Tage bei Carla
Wo finden sich eigentlich die Menschen, mit denen man dann später ganz viel zusammenarbeiten wird? In unserem Fall war es ein bisschen der Zufall, aber was ist schon Zufall? Um Ausbilder:in BM zu werden, braucht man eine mindestens 30-stündige Fortbildung in Supervision. Das wollte ich unbedingt. Jamie, meine Ausbilderin hat sie mir empfohlen und ich habe angerufen: Carla van Kaldenkerken. Sie bot, damals noch in Berlin, die 30-stündige Fortbildung in Supervision für Mediator:innen an.
Nur es gab nicht genügend Anmeldungen für die Weiterbildung. Statt zu warten habe ich mich selbst auf die Suche gemacht. Neben Willy und Carolin konnte c noc ein zwei weitere für die Weiterbildung begeistern und so konnte das Seminar stattfinden. Und wie es der Zufall will, dort sind uns großartige Menschen über den Weg gelaufen mit denen wir persönlich und fachlich seitdem verbunden sind: Tamara Rohloff und Lisa Hinrichsen. Das waren fünf, nicht nur inhaltlich, sondern aufgrund der Begegnungen auch menschlich besondere Tage, die klären & lösen verändert haben.
Ein Abend in Erkelenz
Sofort leben konnte ich von Mediation leider nicht. Insofern habe ich – durchaus sehr gerne – noch eine Zeitlang Einführungslehrgänge für Zivildienstleistende gegeben. Die Arbeit mit den jungen Menschen, fand ich aber sehr sinnvoll, ganz davon abgesehen, dass ich unfassbar viel lernte. Wir gestaltet man ein Seminar mit 50 jungen Männern, die zum größten Teil keine Lust hatten? Wie gestaltet mal trotzdem ein spannendes und lehrreichen Programm? Vieles von dem, was ich später getan habe, habe ich dabei und von den Kolleg:innen gelernt.
Einer der Kollegen, genauer gesagt, mein Chef, war Rüdiger Hausmann. Ende 2010 war klar, es wird mit dem Zivildienst zu Ende gehen. Ich hatte aber wegen der Arbeit bei klären & lösen immer weniger Zeit. Es war klar, ich musste aufhören. Rüdiger und ich leiteten diesen Lehrgang gemeinsam, es war mein letzter, und wir saßen zusammen bei einem Bier am Niederrhein und überlegten, was wir künftig miteinander machen könnten. Eine Idee war zusammen was im Bereich Mediation zu machen. Nur Rüdiger hatte keine Mediationsausbildung und eine bei uns in Berlin zu machen, kam nicht in Frage, seine Kinder waren zu klein. Das war die Geburtsstunde der Mediationsausbildung in Köln.
Lernkurve im Steilflug
In einem leeren Zug nach Bamberg, dort mit 12 Teilnehmer:innen in einem engen Seminarraum, weiter fast allein in der Bahn nach Kassel, Gesundheitscheck durch einen Arzt beim Betreten des Gebäudes um dann mit fünf anderen in einem kleinen Konferenzraum zu sitzen und dann wieder in einem leeren Zug zurück. In Berlin läuft parallel unser zuletzt geplantes Präsenzseminar – und zack: Der Lockdown ist da. Binnen 48 Stunden sind unsere Kalender vollständig leer – alle Termine in den nächsten Wochen werden abgesagt. Geschockt ist ein zu milder Ausdruck für unser Gefühl. Was folgt, sind die intensivsten Wochen, die wir je erlebt haben. Die Herausforderung: 100 % Online-Umstellung – und schnell! Kurz ein Brainstorming: Plattformen, Technik, Didaktik – alles muss neu gedacht werden. Wir stürzen uns in die digitale Transformation. Drei Wochen später: unser erster Versuch. Zehn Köpfe konzentriert vor dem Bildschirm, ein Modul der Mediationsausbildung – per Video. Schon beim Test wird klar: „Das geht so noch nicht“ – weiter tüfteln! Zwei Wochen später ist es so weit: Premiere! Nervosität lag in der Luft. Wir klicken uns rein – und starten. Was danach bleibt? Unglaubliche Erleichterung – und eine Erkenntnis: „Online kann das richtig gut funktionieren. Was wir uns nicht hätten vorstellen können: Wir wachsen mit jeder Online-Sitzung. Technische Hürden werden gemeistert, Methoden angepasst, Kommunikation verfeinert – in einer Geschwindigkeit, die uns selbst überrascht hat.
Same same but different
Mediation, na klar! Aber wie wollen wir uns eigentlich nennen? Die ersten Ideen waren eher der Versuch das zu imitieren, was wir kannten. Mediationsbüro Kreuzberg oder so etwas in die Richtung. Es hat eine Weile gedauert, bis wir auf die Idee kamen, im Namen das abzubilden, was wir wirklich machen: „klären & lösen“. Und als dann auch noch die passende URL frei war, war die Entscheidung gefallen. Danach haben wir mit einer Grafikerin zusammen einen Schriftzug entwickelt, der unser neues Logo sein würde, dazu passende Visitenkarten, Flyer und Briefpapier. Der Name, das Logo, die Farben sind in den ganzen Jahren Identität für uns geworden.
Den Namen finden wir auch 20 Jahre später noch super. Nur das Logo und die Farben bekamen 2024 eine Auffrischung. Inhaltlich haben wir uns und unser Angebot sowieso ständig weiterentwickelt, nun war es auch an der Zeit, das sichtbar zu machen.
Wie ich kam, um einen Fall einzubringen – und blieb, um mitzugestalten (Christine)
Ich war Teilnehmerin bei der Fortbildung Supervisionskompetenz für Mediator:innen. Eine intensive Woche im Oderbruch: neue Perspektiven, inspirierende kollegiale Beratung, viel Tiefe – mit systemischen, hypnosystemischen und psychologischen Zugängen. Ich hatte einen Fall dabei, der mich schon länger beschäftigte: Wie führt man ein Konfliktmanagementsystem in einer Organisation ein, wenn man selbst Teil davon ist? Wie gelingt Rollenklärung, wenn akuter Bedarf da ist, Strukturen und Zuständigkeiten aber noch im Aufbau sind? Wir diskutierten Haltungen und Dynamiken – mit großem Erkenntnisgewinn für mich. Und irgendwann, nach einem langen Seminartag, abends im Gespräch am Lagerfeuer, stellte Michael eine einfache Frage: „Hast du eigentlich noch Kapazitäten frei?“ Ich hatte. Und plötzlich war klar, dass da mehr möglich ist – als Teil von klären & lösen. Heute bin ich Mitgesellschafterin.
Von der Teilnehmerin zur Ausbilderin
2015 habe ich mich dafür entschieden, eine Mediationsausbildung bei klären & lösen und RheinMediation in Köln zu machen. Gesagt, getan. Was ich bei der Anmeldung noch nicht wusste: Die Ausbildung hat buchstäblich meine Welt verändert. Ich habe in der Ausbildung unglaublich viel gelernt und persönliche Antworten auf viele Lebensfragen gefunden. Ich habe endlich fachliche Argumente bekommen für viele Aspekte in der Welt der Kommunikation, die ich vorher nur so ‚gefühlt‘ habe...
Außerdem habe ich im 4. Modul die Gewaltfreie Kommunikation kennengelernt, ohne die ich mir mein Leben heute nicht mehr vorstellen kann. Weil ich dadurch als Mensch gewachsen bin und weil es auch inzwischen mein Beruf geworden ist, die Haltung und Methode der Gewaltfreien Kommunikation zu unterrichten.
Fast forward: Carolin und Rüdiger waren damals meine Ausbilder:innen und sind heute, 10 Jahre später, meine Kolleg:innen. Mit beiden gehe ich ebenso wie mit Michael, Jörn, Nina, Willy und Christine von klären & lösen gemeinsam durch Dick und Dünn.
Ein spannender Auftrag
Langsam wollte ich mich Minsk nähern, der Hauptstadt von Belarus. Hier sollte ich in den nächsten Tagen für den „Bund für Soziale Verteidigung“ ein Mediationstraining durchführen. Darum nahm ich die Bahn von Berlin nach Minsk, einem Teil der legendären Paris – Moskau Verbindung, in dieses unbekannte und doch so nahe Land.
Das Training war eine Auftaktveranstaltung, um interessierten Pädagog:innen, Jurist:innen und Psycholog:innen die Grundzüge der Mediation zu vermitteln. Der langfristige Wunsch der 15 Teilnehmer:innen ist, das Mediationsverfahren in der eigenen Institution nicht nur anzuwenden, sondern auch weiterzuvermitteln. Dementsprechend waren die Erwartungen an das Training hoch und in der Kürze der Zeit eine echte Herausforderung. Allerdings: Alle waren sehr engagiert und das Training konnte auf einem hohen Niveau durchgeführt werden.
Die Entscheidung, das Training nicht in Englisch ohne Dolmetscher, sondern in Deutsch durchzuführen, erwies sich als die bessere Alternative. Perfekte, nahezu simultan übersetzte Inhalte führten kaum zu einer Verlangsamung der Wissensvermittlung, sondern eher zu einer angenehmen Entschleunigung. Unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen war aber, dass die Arbeitsmaterialien frühzeitig ins Russische übersetzt wurden und als Script allen Teilnehmer:innen zur Verfügung standen.
Interessant war, dass Warm-Ups, Übungen zur Teamentwicklung oder zum „Wachwerden“ gerne und interessiert mitgemacht, aber von manchen als „verlorene“ Zeit betrachtet wurden, auch wenn sie nur 5 Minuten dauerten. Hier gab es einen Interessenkonflikt zwischen Wissbegierde, neuen Methoden und Zeitknappheit. Ansonsten gab es keinen besonderen Unterschied zwischen diesem Training und Anderen, in Deutschland durchgeführten Trainings. Vielleicht noch, dass sich die russische Sprache mit ihrem hohen Konsonantengehalt für meine Ohren vortrefflich dazu eignet, in den Rollenspielen heftig zu streiten, wie auch, sich gefühlvoll zu versöhnen.
Bochum
Wissen muss, damit es wirken und sich vermehren kann, weitergegeben, nicht gebunkert werden. Je mehr Menschen von Mediation wissen, desto besser ist es für uns alle. Und warum denn nicht im Ruhrgebiet. Sophia Cojaniz, die bei uns ihre Ausbildung gemacht hatte, fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, zusammen mit ihr eine Ausbildung in Bochum zu machen. Anders als unsere, sollte es eine 120 Stunden-Ausbildung sein, was ich als durchaus herausfordernd empfand, dass wirklich Wesentliche herauszufiltern. Schließlich sollten ja auch mit weniger Stunden sehr gute Mediator.innen ausgebildet werden.
Es hat sehr viel Freude mit Sophia gemacht und ich habe sehr viel von ihr lernen können. Und gleichzeitig war es ein Moment der Zufriedenheit, als ich ihr sagte, dass sie künftig allein laufen kann. Darum geht es. Menschen zu befähigen, uns nicht mehr zu brauchen. Und ich freue mich sehr, dass daraus in Bochum so viel entstanden ist und ich mich damit verbunden fühlen kann.
Mediationstraining in Pakistan
Ein Bauer hat ein Feld in dessen Mitte ein Brunnen ist. Ein Hirte hat eine Ziegenherde, die er tränken muss. Also führt er sie zum Brunnen auf dem Feld des Bauern. Auf dem Weg zum Brunnen fressen die Ziegen aber auch von dem Gemüse des Bauern, was diesen sehr ärgert. Insbesondere weil er dem Hirten, der aus demselben Dorf kommt, schon oft gesagt hat, dass er auf seine Ziegen besser aufpassen soll. Als er wieder sieht, dass sich die Ziegen an seiner Arbeit gütlich tun, schießt er mit seinem Gewehr auf den Hirten. Aber absichtlich obendrüber, es soll nur eine Warnung sein. Nun mischen sich die Familien der beiden ein und verlangen eine Klärung des Konflikts.
Young Ambassadors for Peace war das Programm initiiert von Mediothek Afghanistan. Zehn Tage Mediation und Verhandlungstraining für Aktivist:innen und Journalist:innen aus Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan in Islamabad. Der oben geschilderte Konflikt war von all meinen Rollenspielen derjenige, den alle am realistischsten fanden. In meiner Welt war es ein Konflikt zwischen dem Bauern und dem Hirten, sie hatten ihn auch zu lösen. In der Welt der Menschen aus Zentralasien war es ein Konflikt zwischen den beiden, der zugleich den Frieden zwischen den Familien und im Dorf bedroht. Die Lösung muss sich also nicht nur mit dem Brunnen und den Ziegen beschäftigen, sondern auch die Ehre der Familien wieder herstellen. Mediation ist Mediation ist Mediation, ist Mediation. Und muss sich trotzdem an die Kultur anpassen. Ich habe wahnsinnig viel gelernt.
Mit Schüler:innen unterwegs – eine Reise, die ich nie vergessen werde
Unsere Arbeit an Schulen bedeutete mehr als nur Konfliktprävention im Klassenzimmer. Wir wollten echte Erfahrungen schaffen, Räume, in denen Jugendliche lernen, Konflikte selbst zu lösen – mit Kopf, Herz und Haltung. Deshalb planten wir etwas Besonderes: Einen mehrtägigen Workshop in einer Jugendbildungsstätte in Brandenburg. Für viele der Jugendlichen war es das erste Mal, Berlin überhaupt zu verlassen. Die Vorfreude war groß – aber ebenso das Chaos. Ohne die engagierte Unterstützung der Schulsozialarbeiter:innen und Lehrkräfte hätten wir die aufgekratzte Gruppe kaum bändigen können. Doch dann geschah etwas, das sich mir in meinem Gedächtnis einbrannte. Wir stehen noch in Berlin auf dem Bahnsteig, der Regionalzug ist schon in Sichtweite – da fliegt plötzlich ein Käppi aufs Gleis. Und ohne zu zögern, springt ein Schüler hinterher. Die Welt um mich herum schien stillzustehen. Ich war wie erstarrt. In meinem Kopf blitzten binnen Sekunden die schlimmsten Szenarien auf: Blaulicht, Sirenen, schockierte Eltern, fassungslose Lehrkräfte – und das abrupte Ende von klären & lösen. Ich sah mich selbst, handlungsunfähig, gefangen in diesem Moment. Doch dann sprang Michael ins Gleis, dem Schüler hinterher. Blitzschnell packte er ihn, zog ihn zurück Richtung Bahnsteig. Andere halfen, reichten Hände, zogen beide zurück auf sicheren Boden. Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Der Schüler lachte – vermutlich aus Nervosität und Überraschung. Wir anderen standen sprachlos da, mit klopfenden Herzen und einem Schock, der sich erst langsam löste. Ich fühlte wieder meinen Puls. Ich war tief bewegt – und unendlich dankbar für Michaels beherztes Eingreifen. Für das glimpfliche Ende. Und für die stille Erkenntnis: Begleitung heißt Verantwortung – auch dann, wenn es brenzlig wird.
Das klären & lösen Modell für Teammediation
Michael und ich saßen eines Tages zusammen und reflektierten unsere Erfahrungen mit Teammediation. Und wir stellten schnell fest: Egal ob in NGOs, Verwaltungen oder Unternehmen – was dort verhandelt wird, ist erstaunlich ähnlich. Schnell kristallisierten sich vier zentrale Themen heraus: Beziehung & Umgang miteinander, Organisation der Arbeit, Sinn & Verbundenheit zum Ziel, Balance von Geben & Nehmen.
Diese vier Bereiche bilden den Kern jeder Teamdynamik – aber sie stehen keineswegs isoliert. Sobald wir ins Feld gingen, erkannten wir drei zusätzliche Ebenen, die massiv Einfluss auf obige Dimensionen haben:
- Führung – sorgt für Klarheit und Struktur, gestaltet den Rahmen für das Miteinander.
- Kultur im Team/Organisation – wirkt subtil und oft langfristig, formt Normen und beeinflusst verdeckte, tabuisierte Themen.
- Umfeld (z. B. Branche, Markt) – übt zusätzlichen Druck aus, den man verstehen und berücksichtigen muss.
Uns wurde deutlich, dass wir die vier inhaltlichen Themen und die drei systemischen Ebenen in ein kompaktes Modell überführt hatten: Auf der inhaltlichen Ebene: Beziehung, Struktur, Sinn, Geben–Nehmen und auf der systemischen Ebene: Führung – Kultur – Umfeld. Dieses Modell hat sich für uns schnell in der Praxis bewährt und wurde von Teilnehmenden ausgiebig validiert, und es spiegelt Befunde aus der Team- und Organisationsforschung wider. Es bringt Klarheit und bietet ein strukturiertes Raster für Analyse und Intervention. Und es hat praktische Relevanz – für Mediationen und Konfliktmoderationen zur Themenerhebung und deren Priorisierung. Es dient uns heute als roter Faden für jede Mediation im Organisationskontext, insbesondere bei Teammediationen. Und vor allem hilft es, in komplexen Situationen eine klare Sprache zu finden.
klären & lösen in Friedrichshain – unser Standort seit 2009
Unsere eigenen Räume waren ein Quantensprung. Bis dahin waren wir immer zu Gast, was auch ganz wunderbar war! (Danke Elke!) Als die Idee zur ersten Mediationsausbildung Gestalt annahm, war das Ziel klar: Wir brauchten etwas Eigenes, mit Charme und eigenem Charakter. In Friedrichshain wurden wir schließlich fündig: frisch renovierte Räume im Erdgeschoss – perfekt geeignet für Seminare und top angebunden. Ein echter Glücksgriff: Freundliche Vermieter, nette Nachbarn, ein gemütlicher Hinterhofgarten – und eine offizielle Adresse, mit der wir und unsere Kunden sich identifizieren konnten. Dieser Ort war mehr als nur Raum – er vermittelt Klarheit, Offenheit und Zugehörigkeit. Von jetzt an konnten wir nicht nur Inhalte, sondern auch Atmosphäre bewusst gestalten. Ein Ort, der unser Engagement widerspiegelte und Vertrauen schenkte – sowohl uns als auch denen, die mit uns arbeiten. Bis heute.
Mediationsausbildung – Meine erste Gruppe
Ein Traum wird wahr: als Co-Trainerin Mediator:innen auszubilden. Es ist etwas Besonderes, mit einer Gruppe diesen Weg zu gehen. Jede:r bringt eigene Stärken und Themen mit, die weiterentwickelt werden wollen. Diese persönlichen Lernschritte zu begleiten – das macht eine gelungene Ausbildung aus. Als Ausbilderin geht es darum, das vorzuleben, was Mediation ausmacht: einen sicheren Raum zu bieten, in dem sich Teilnehmende zeigen und weiterentwickeln können. Das schafft Verbindung und Authentizität – genau das, was auch in einer Mediation gebraucht wird.
Im vorletzten Modul dann Teammediation – „großes Kino“. Rollenspielende, die richtig aufspielen und dramatische Szenen entwickeln – und dabei Mediator:innen, die ruhig bleiben, die Situation annehmen, wie sie ist, den Teilnehmenden Raum geben, ihre Emotionen auszudrücken, sie spiegeln, damit sie sich gehört fühlen, und so einen sicheren Rahmen für Konfliktklärung bieten. Am Ende des Moduls stehen neue Mediator:innen da, stolz auf ihre Entwicklung – samt stolzer Ausbilder:innen. Mir wurde noch einmal bewusst, wie entscheidend der Spagat zwischen Raum halten und Raum geben ist – in der Ausbildung wie in der Mediation. Durch Haltung und Prozessführung Sicherheit zu vermitteln und gleichzeitig den Raum zu öffnen, damit sich Emotionen entfalten und transformieren können.
Als Neue – Was ich an „klären & lösen“ so schätze
Seit fast zwei Jahren bin ich nun Teil von „klären & lösen“ und die Entscheidung, nun auch Mitgesellschafterin zu werden, ist für mich ein logischer wie auch erfüllender Schritt. Was mich von Anfang an angesprochen hat, ist das große Portfolio an Beratungsformaten. Mediation, Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung – hier gibt es nicht nur eine Lösung, sondern immer die passende für die jeweilige Situation. Diese Vielfalt bietet den Kund:innen einen echten Mehrwert – und mir die Möglichkeit, mich als Beraterin kontinuierlich weiterzuentwickeln. Neben der Beratungstätigkeit schätze ich es besonders, dass wir unser Wissen als Trainer:innen in Aus- und Fortbildungen weitergeben– eine Komponente, die sich durch mein Berufsleben zieht.
Die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen aus verschiedenen Disziplinen ist eine der wertvollsten Erfahrungen bei klären & lösen. Regelmäßiger Austausch und Intervision sind für mich wichtig, Teamarbeit essenziell, weshalb ich mit der Selbstständigkeit gezögert habe. Bei klären & lösen habe ich die Balance zwischen Halt und Freiraum gefunden, die mir wichtig ist. Menschlichkeit, Vertrauen, Zuversicht und Freiheit – diese Werte leben wir nicht nur nach außen, sondern auch im Miteinander – und sie spiegeln sich auch in der Kundenbreite wider. Diese Vielfalt macht meine Arbeit spannend und sinnstiftend.
Es ist ein gutes Gefühl, Teil einer Gesellschaft zu sein, die seit 20 Jahren erfolgreich arbeitet, krisenfest ist und sich immer weiterentwickelt. Davor ziehe ich den Hut, liebe Kolleg:innen!
Assoziationskette mit Hindernissen
Es war eine der ersten Meditationen kurz nach der Ausbildung. In der Ausbildung hatte ich die Assoziationskette gelernt. 21 Begriffe, kondensiert auf sieben, da wird es doch bestimmt Gemeinsamkeiten geben und die stockende Mediation in Schwung bringen.
Nachdem nach einer gefühlten Ewigkeit die Mediand:innen die Kugelschreiber weglegten, fragte ich, wie viel Begriffe sie denn gefunden hätten. Er: 12, Sie: 9. Gott sei Dank erinnerte ich mich daran, dass meine Ausbilder:innen gesagt hatten, dass es auch weniger Begriffe sein dürfen und man dann eben die Auswahl anpassen könnte. Voller Selbstbewusstsein sagte ich: na, dann unterstreichen Sie doch mal die fünf wichtigsten Begriffe.
Als es dann daran ging, die Begriffe vorzulesen, und auf das Flip-Chart zu schreiben, wurde mir abwechselnd heiß und kalt. Nur Trennendes. Nichts Gemeinsames. Ich war wie gelähmt. Nach einer Schrecksekunde, stammelte ich dann: „Das ist interessant, was fällt Ihnen auf?“
Beide erkannten, dass auf die Frage, wie sie ihre Zusammenarbeit in Zukunft gestalten wollten, keine Gemeinsamkeiten mehr vorhanden waren. Die Sitzung kam dann auch schnell zu ihrem Ende und ich konnte durchatmen. Atemlos rief ich meine Ausbilderin Zoë an und erzählte ihr von meinem Schockmoment. Im Gespräch konnten wir aber herausarbeiten, dass ich mit der Frage, was denn daran das Auffallende sei, genau die richtige Intervention gemacht habe. Seit dieser Zeit weiß ich: „Mediation ist, wenn Theorie auf Praxis trifft.“Fortbildungen können süchtig machen
Ich muss an dieser Stelle, wenn auch mit einem Augenzwinkern, eine deutliche Warnung aussprechen. Fortbildungen können süchtig machen. Eher durch Zufall als durch Planung oder soll man es Schicksal nennen, wurde ich 2019 Chefredakteur des Spektrums der Mediation, einer Fachzeitschrift, die vom Bundesverband Mediation herausgegeben wird. Kleiner Treppenwitz: von Mediation hatte ich ungefähr so viel Ahnung zu diesem Zeitpunkt, wie ein Schwein vom Stabhochsprung. Mit der Anstellung beim Bundesverband ging auch eine Meditationsausbildung einher, die ich auf Anraten eines guten Freundes bei klären & lösen gemacht habe. Rückblickend war dies eine der besten Entscheidungen meines Lebens, denn, was damals noch keiner wusste: ich war gekommen, um zu bleiben. Michael sagte in der Ausbildung ein paarmal den Satz: „Es geht keiner verloren, der nicht verloren gehen will“. Und mir war sofort klar: ich will nicht verloren gehen. Mit so viel Spaß und Freude habe ich noch nie etwas Neues gelernt. Und kein halbes Jahr nach Abschluss der Meditationsausbildung machte ich eine Ausbildung im Fokus Institut bei Rita Wawrzinek in lösungsfokussiertem Coaching - kann ja nicht schaden, dachte ich mir. Hat´s auch nicht. Auch hier habe ich wieder tolle Menschen kennengelernt und Anregungen bekommen, mich mit neuen Themen zu beschäftigen. Dieser Ausbildung schloss sich eine kurze jedoch gehaltvolle Intensivwoche mit Michael und Rüdiger von Rheinmediation im Oderbruch an. Supervisionskomptetenz für Mediator:innen. Aber das war’s noch nicht. Im Moment mache ich gerade eine Ausbildung in München im SySt-Institut bei Hélène Dellucci in traumasensiblem Coaching. Auch diese Ausbildung empfinde ich als eine absolute Bereicherung. All diese Ausbildungen prägen und verändern mich als Mensch, als Mediator und auch als Coach. Wo wird mich mein Weg hinführen? Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich sicher: es werden noch viele Fortbildungen kommen und den Grundstock dafür hat meine Mediationsausbildung gelegt und dafür bin ich unendlich dankbar.
30 Jahre klären & lösen – Ein Ausblick
Wir schreiben das Jahr 2035, klären & lösen feiert sein 30-järiges Jubiläum. Mediation ist mittlerweile so bekannt in der Gesellschaft, dass alle jederzeit bei Unstimmigkeiten eine Mediation machen. Wobei, spezialisierte Avatare übernehmen nun einen Gutteil der Mediationen und der Coachings. Gefühle erkennen, Zwischentöne heraushören, das waren die großen Fortschritte der KI in den letzten Jahren. Gleichzeitig ist die Sehnsucht nach echten Kontakten, echten Menschen gewachsen. Wir werden, mehr denn je gebraucht.
30 Jahre sind eine lange Zeit. Die Welt hat sich verändert, und wir mit ihr. Wir haben Neues gelernt, mutig ausprobiert und manches beiseitegeschoben. Menschen arbeiten anders zusammen als vor 30 Jahren, es gab technische Revolutionen, die das Miteinander verändert haben. Menschen sind trotzdem Menschen, sie brauchen Kontakt und Auseinandersetzung mit anderen Menschen, das zeichnet uns aus. Und das ist das, was wir hier bei klären & lösen auch weiterhin machen. Menschen in Kontakt bringen.
Die letzten 30 Jahre haben uns geprägt und verändert. Was aber über all die Jahre gleichgeblieben ist, ist unsere Neugierde auf Menschen, ihr Handeln und ihre Konflikte. Und unser fester Glaube an die Mediation. Den wenn „ich“ verstehe wie „du“ tickst und „ich“ verstehe was du „brauchst“ und umgekehrt, erleben wir Annährung, Verständnis und eine Öffnung hin zu einer gemeinsamen, tragfähigen Lösung. Dieser Moment ist wunderbar und wird auch in 40 Jahren nichts von seiner Kraft verloren haben.