Mediation & Konfliktmoderation
Wie können Unternehmen davon profitieren | Newsletter 1/2015
Mediation geht davon aus, dass Konflikte auf eine Störung der Kommunikation zwischen den Betroffenen zurückzuführen ist. Dementsprechend ist die Mediation auch darauf ausgelegt, die Kommunikationsstörungen zwischen den Beteiligten wieder zu beseitigen. Schaut man sich Konflikte in Unternehmen genauer an, stellt man jedoch fest, dass es dort auch eine ganze Reihe von Konflikten gibt, die auf anderen Ebenen liegen: Konflikte um die Verteilung von Ressourcen, Macht und Einfluss oder Konflikte um Strukturen. Hier stellt sich die Frage, was ist die Ursache des Konflikts? In der Mediation würden wir, zumindest implizit, immer davon ausgehen, dass die Ursache des Konflikts eine Störung der Beziehung zwischen den Beteiligten ist. Dadurch wird eine positive Kommunikation verhindert und Probleme können nicht gelöst werden. Der Weg der Mediation wäre entsprechend sich zu fragen, warum Sach- und Strukturprobleme nicht angemessen thematisiert werden können. Mit anderen Worten, wieso kann darüber nicht vernünftig geredet werden?
Im Ergebnis einer Mediation können die konkreten Lösungen jedoch auch auf der Sach- oder Strukturebene liegen. Nur der Weg dahin führt über die Ebene der Kommunikation.
Einen gänzlich anderen Ansatz dagegen scheint die Konfliktmoderation zu verfolgen: Hier wird davon ausgegangen, dass der Konflikt daher rührt, dass es unklare oder unpassende Strukturen gibt, dass Führungskräfte ihre Leitungsfunktion nicht angemessen wahrnehmen oder dass es einen Mangel an entscheidenden Ressourcen gibt. Natürlich wird auch in diesen Ansätzen anerkannt, dass es im Konfliktfall eine Störung auf der Beziehungsebene gibt. Nur der Bearbeitungsansatz ist ein anderer. Hier würde man mit den Beteiligten an einer Klärung von Strukturen arbeiten. Oder an einer Stärkung der Führungskraft, so dass sie ihre Aufgabe besser wahrnehmen kann. Der Weg der Konfliktlösung ist also genau umgekehrt wie bei der Mediation: Sind die Strukturen geklärt, nimmt die Führungskraft ihre Aufgaben richtig war, wird sich die Beziehung zwischen den Beteiligten schon verbessern.
Im Ergebnis einer Konfliktmoderation können Lösungen daher auch auf der Beziehungsebene liegen. Nur der Weg dahin führt über die Ebene der Sach- und Strukturfragen.
Ein Beispiel aus einer Diskussion mit Kolleg/innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen soll dies illustrieren: Ein Team, bestehend aus acht Mitarbeiter/innen und einer Leitung hat einen Konflikt. Die Leiterin ist seit einem halben Jahr in der Funktion, zuvor hat sie mit den anderen gleichberechtigt im Team gearbeitet. Den Job hat sie nur übernommen, weil es kein anderer machen wollte und eigentlich fühlt sie sich auch gar nicht richtig als Chefin. Die Konflikte im Team sind nicht neu, aber nun hat die Leiterin das Gefühl, dass die Konflikte schlimmer geworden sind, alle stellen Ansprüche an sie und gleichzeitig bekommt sie Druck von oben. Ihre Vorgesetzte hat ihr empfohlen zusammen mit dem Team ein Kommunikationstraining zu machen, so dass alle lernen, besser, also klarer und wertschätzender miteinander zu kommunizieren.
In der Diskussion über das weitere Vorgehen in dem Fall gab es die beiden oben beschriebenen Auffassungen: Die Konflikte zwischen den Beteiligten beruhen auf einem Verlust von Vertrauen, welcher zu einer Störung der Kommunikation und damit zu einem schlechten Arbeitsklima geführt haben. Die Lösung liegt in einer Verbesserung der Kommunikation, alles muss mal gesagt werden, ein Perspektivwechsel herbeigeführt werden (ich fühle mich einsam und alleine gelassen in meiner neuen Rolle als Leiterin vs. wir wissen gar nicht mehr, was du da den ganzen Tag machst und ob du nicht mit der Geschäftsführung gegen uns arbeitest). Wir würden dies als einen Bottom-Up-Ansatz beschreiben.
Die Konfliktmoderator/innen in der Diskussion beschrieben das Problem und die Lösung dagegen ganz anders: Der neuen Leiterin fehlen wichtige Führungskompetenzen, die sie noch lernen muss. Die Strukturen im Team sind nicht mehr passend und müssen verändert werden. In der Konsequenz des Vorgehens mit dem Team bedeutet dies, dass an erster Stelle eine Stärkung der Führungskraft steht und dies insbesondere durch Coaching, Beratung und Training. Wenn sie ihre Aufgaben angemessen wahrnehmen kann, werden sich die Zusammenarbeit im Team und damit die Stimmung auch verbessern. Wir würden dies als einen Top-Down-Ansatz beschreiben.
Wer hat nun recht? Was ist das beste Vorgehen? Selbstverständlich haben beide Ansätze ihre Berechtigung: Der Mediationsansatz ist für die Beteiligten viel voraussetzungsreicher. Die Beteiligten müssen eine gewisse Bereitschaft haben, den Konflikt zu bearbeiten und sich zumindest ein Stück weit aufeinander einlassen und ein bisschen was von sich zeigen.
In der Konfliktmoderation geht es dagegen eher ums Verhandeln. Die Arbeit an Strukturen und Kompetenzen ist „ungefährlicher“. Sie verlangt kein persönliches Einlassen, sondern nur professionelles Arbeiten. Ein solcher Prozess kann auch gut von oben angeordnet werden, er bedarf keiner Freiwilligkeit der Teilnahme.
Als Mediator/innen sind wir natürlich Verfechter des ersten Ansatzes. Gleichwohl wissen wir, dass sich Herangehensweisen ergänzen können. Unsere Herangehensweise wäre zunächst die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu klären. Danach kann aber ein Training oder Coaching für die Leiterin und eine Beratung oder ein Prozess zu strukturellen Fragen noch sehr sinnvoll sein. Zudem gilt natürlich: Je nach Verfasstheit und Bereitschaft des Konfliktsystems gilt es im konkreten Fall zu entscheiden, welches Vorgehen das geeignetere ist.
(Michael Cramer)