Mediation im Handwerk
Newsletter 1/2017
Mediation im Handwerk klingt erst einmal etwas exotisch. Nicht zuletzt auch für die Handwerker selbst, die sich wohl eher als bodenständig und handwerkliche Experten begreifen und weniger als Kommunikatoren und Konfliktbearbeiter.
Aber Handwerksbetriebe haben, wie alle anderen Unternehmen auch, mit Konflikten zu tun, die mit Mediation bearbeitet werden können. Einzelne Betriebe nutzen schon seit vielen Jahren Mediation zur Bearbeitung von Konflikten. Seit einigen Jahren ist das Thema aber auch auf der Ebene der Kammern und Innungen verstärkt präsent. Nachdem ich 2015 an einer Mediationsausbildung bei klären & lösen teilgenommen habe, hat sich der Landesverband Metall Niedersachsen / Bremen, für den ich als Geschäftsführer tätig bin, noch einmal stärker für das Thema engagiert.
An einem Beispiel möchte ich kurz illustrieren, wo die Vorteile einer selbstverantworteten Lösung in dem Bereich liegen:
Ein fertiggestellter Neubau entspricht exakt dem Bauplan, doch bei einem Punkt ist der Bauherr total unzufrieden: Der Gartenteich liegt im Schatten, die Fische im Teich brauchen Sonnenlicht. Bei der Lage des Grundstücks ließ sich die Planung nicht anders umsetzen, die am Bau Beteiligten, vom Architekten bis zum Handwerker, können formal auf dem vollen Rechnungsbetrag bestehen. Vor Gericht bekämen alle planenden und ausführenden Beteiligten Recht. Doch lohnt es sich, dafür seinen Ruf aufs Spiel zu setzen?
In diesem kleinen Beispiel wird einer von drei Schwerpunkten in der handwerklichen Mediation (Kunde-Auftragnehmer-Beziehung) skizziert. Um einer gerichtlichen Auseinandersetzung „aus dem Weg zu gehen“, ist es immer vorteilhaft, wenn die beteiligten Parteien eine Lösung selbst und gemeinsam erarbeiten. Die Beteiligten kommen meistens auf eine Lösung, die im Gesetz nicht vorgesehen ist, die aber für sie gleichwohl besser ist.
Ein zweiter Bereich, in dem im Handwerk Mediation sehr gut einsetzbar ist, ist bei Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Auseinandersetzungen und bei Konflikten zwischen Arbeitnehmern. Auch hier zeigt sich deutlich an der immer noch steigenden Anzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen, wie groß der Bedarf an Lösungen ist. So kann auch in diesen Fällen beobachtet werden, dass, wenn die Streitenden zusammen eine Lösung erarbeiten, diese Lösung nachhaltiger als eine „fremd getroffene“ Lösung ist. Der ausgemachte Konflikt zwischen Arbeitnehmern oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist nach der Beendigung einer Mediation ausgeräumt.
Besonders essentiell ist für Handwerksbetriebe der Einsatz von Mediation bei Auseinandersetzungen im Rahmen von Unternehmensnachfolgen. Insgesamt stehen, so die Deutsche Handwerkszeitung, bis zum Jahr 2020 bis zu 180.000 Betriebe vor der Suche nach einer Nachfolge. Besonders heikel stellt sich dies oft dar, wenn der Betrieb innerhalb der Familie weiter gegeben werden soll. Bei Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen bleiben die Streitenden vor und nach der Nachfolge Teil einer Familie. Generationenkonflikte und andere Themen, die in jeder Familie eine Rolle spielen, überlagern und vermischen sich hier mit unternehmerischen Themen. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar. Mediation bietet hier die Chance mehr als nur eine Lösung für den Betrieb zu finden.
Als der Senior-Chef seinen über Jahrzehnte eigenständig geführten Betrieb an seine beiden Töchter übergeben will, traten Unsicherheiten und Ängste auf beiden Seiten auf. Der Vater traute den neuen Ideen seiner Töchter nicht und machte sich Sorgen über die Konkurrenzfähigkeit des Familienbetriebs, der schon von seinen Großeltern gegründet worden war. Er hatte zunehmend das Gefühl, dass seine Lebensleistung von seinen Töchtern wenig wertgeschätzt wurde und fühlte sich abgestempelt als rückständig und realitätsfern. Die Töchter wiederum, die schon seit vielen Jahren im Betrieb mitarbeiteten, vermissten Vertrauen in ihre Kompetenzen und Loyalität. Als dann schließlich die Belegschaft sich in verschieden Loyalitätsgruppierungen aufzuspalten drohte, stand die Familie vor einer Zerreißprobe. Nach mehreren gescheiterten Gesprächsversuchen beschloss die Familie schließlich, mit Hilfe von Mediation einen Ausweg aus der verworrenen Situation zu finden. In der Mediation konnten die vielschichtigen Verwebungen von Themen und Ebenen entwirrt und gegenseitige Missverständnisse, Erwartungen und Enttäuschungen besprechbar gemacht werden. Den Töchtern gelang es ihren Vater von ihren strategischen Überlegungen überzeugen und der Senior-Chef konnte sich schließlich beruhigt aus dem Geschäft zurückziehen und blieb seinen Töchtern als Berater erhalten. Mit der Mediation entstand die Chance, ein tragfähiges Fundament für den Familienbetrieb und die Familie gemeinsam abzusichern.
Auch wirtschaftlich lohnt sich eine Mediation, spätestens ab einem Streitwert von 10.000,00 Euro. Bei einer außergerichtlichen Lösung teilen sich in der Regel die streitenden Parteien die Kosten der Mediation. Und häufig wird der Konflikt schon an einem Tag gelöst. Ein Prozess vor Gericht kann Jahre dauern, mit allen damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken.
Erklärtes Ziel jeder Mediation im Handwerk ist, aus Konfliktsituationen das größtmögliche Entwicklungspotential für zukünftige Erfolge zu ziehen.
Und wie wurde nun das eingangs beschriebene Beispiel gelöst?
Der Teich wurde verlegt, so dass er jetzt nicht an der ursprünglich vorgesehenen Stelle im Garten liegt, sondern in der Sonne! Die Kosten der Teichverlegung übernehmen die am Bau Beteiligten, im Gegenzug zahlte der Bauherr umgehend die offene Rechnung. Da der Bauherr nun überzeugt war vom Bauteam, inklusive des Architekten, empfahl er alle weiter. Das Bauteam kam so zu mehreren namhaften neuen Kunden und Aufträgen.
Wir als Arbeitgeberverband haben im Sinne unserer Betriebe ein Interesse an guten und nachhaltigen Lösungen. Aus diesem Grund haben wir auch gemeinsam mit der IG-Metall ein mehrjähriges Projekt „Kommunikation im Betrieb“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projektes werden Kenntnisse in Methoden konstruktiver Konfliktbearbeitung und wertschätzender Kommunikation vermittelt, die den Betrieben helfen sollen, Mitarbeiter/innen aber auch bestehende Kundenbeziehungen langfristig zu halten. Und ganz nebenbei sorgt ein veränderter Umgang untereinander im Betrieb auch für mehr Mitarbeiterzufriedenheit und dadurch auch bessere Leistungen.
Mediation im Handwerk ist sinnvoll für alle, die selbst entscheiden möchten, was geschieht…
(Karl Lehne, Geschäftsführer Landesverband Metall Niedersachsen/Bremen)