Digitalisierung in der Mediation?
Newsletter 3/2019
Digitalisierung und Mediation scheinen auf den ersten Blick nicht zusammen zu passen, bieten wir doch eine sehr persönliche Dienstleistung an, in der Menschen im Konflikt wieder mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen und denen der anderen Konfliktparteien in Kontakt kommen sollen. Mit dem Blick in einen anderen Bereich, dem Recht, möchten wir schauen, welche Möglichkeiten, Chancen aber auch Herausforderungen sich hier für die Mediation ergeben.
In den letzten Jahren sind zahlreiche sogenannte Legal Techs entstanden. Sie arbeiten an digitalen Lösungen für Rechtsfragen. Auf der ersten Stufe stellen sie Datenbanken für Anwält/innen mit Gesetzen und Urteilen bereit oder bieten Musterbriefe oder Textbausteine für diese an. Für Kund/innen gibt es mittlerweile zahlreiche Portale, die die Suche nach passenden Anwält/innen erleichtern sollen.
Eine eher neue Entwicklung sind Start-Ups, die Rechtsdienstleistungen quasi automatisiert anbieten. Das Spektrum reicht hierbei von der Durchsetzung von Flugrechteansprüchen, zum Verkehrsrecht (Knöllchen), zur Kündigung von Abos, dem Durchsetzen von Abfindungsansprüchen bei Kündigungen oder dem Widerspruch bei Hartz 4-Bescheiden. In Dänemark z.B. können Scheidungswillige bereits seit 2013 ihre Ehe per Mausklick im Internet auflösen und dies wird auch rege genutzt: Im Jahr 2017 entfielen 77 Prozent der Eheauflösungen auf Online-Scheidungen.
Grundidee ist dabei immer, dass über ein Portal die wichtigsten Daten eingegeben, dann automatisiert Ansprüche geprüft werden und anschließend die andere Partei automatisierte Post erhält, in der die Ansprüche geltend gemacht werden. Sollte das nicht ausreichen, wird die weitere Bearbeitung an Partnerkanzleien, weiter gegeben. Versprochen wird, dass es schnell, einfach und kostengünstig geht und dass es eine Kostentransparenz gibt. Der Grundgedanke ist, dass es ganz viele Fälle gibt, die so ähnlich gelagert sind, so dass eine individuelle Bearbeitung eigentlich nicht erforderlich ist.
Das mag für die Durchsetzung von Erstattungen bei Verspätungen oder Ausfällen bei Flügen sicher zutreffen, aber schon bei Abfindungen bei Kündigungen erscheint uns das schwieriger. Hier spielen in vielen Fällen persönliche Gründe eine Rolle: Der Arbeitgeber war mit dem Verhalten der Mitarbeiter/in gegenüber Kolleg/innen nicht einverstanden oder es gab Differenzen über die Art und Weise wie gearbeitet wird usw.
Wie wir mitbekommen haben, überlegen die ersten dieser Legal Techs nun, Mediation in ihr Angebot mit aufzunehmen. Gedacht ist dabei an eine Telefonmediation, in der die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen abgeklärt werden sollen und es dann einen Lösungsvorschlag, also eher Schlichtungsvorschlag, geben soll. Da Zeit Geld ist, soll das alles ganz schnell gehen, also maximal eine Stunde dauern. Attraktiv wäre eine solche Form der Schlichtung für die Legal Techs, weil sie günstiger als die Beauftragung der Partnerkanzleien wäre, da ja für die Dienstleistung ein Festpreis vereinbart wurde. Auf der anderen Seite haben die Kunden häufig den Vorteil, dass sie nur im Falle eines Erfolges einen bestimmten Prozentsatz an die Legal Techs zahlen müssen. Daher erscheint die Schwelle, solch eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, relativ niedrig, da es kein Kostenrisiko gibt.
Was bedeutet diese Entwicklung für uns als Mediator/innen?
Unser Eindruck ist, dass hier gegenläufige Entwicklungen parallel stattfinden: Auf der einen Seite wird von vielen Menschen großer Wert auf gute Arbeitsbedingungen gelegt. Und dazu gehören auch funktionierende Beziehungen, auch am Arbeitsplatz. Nicht umsonst ist das Betriebsklima ein wichtiger Baustein zur Gewinnung neuer Mitarbeiter/innen. Auf der anderen Seite bietet die sich rasant entwickelnde Digitaltechnologie und hier insbesondere die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz neue Möglichkeiten, die dem Bedürfnis nach schnellen und einfachen Lösungen entgegen kommt. Also eigentlich beides: In Beziehung gehen und nicht in Beziehung gehen zur gleichen Zeit.
Mediation ist bislang im Wesentlichen analog, auch wenn viel über Online-Mediation gesprochen wird und sie hier und da auch angewandt wird. Wir bauen darauf, dass Menschen ihre Beziehungen face-to-face miteinander klären möchten, dass damit sie sich auch künftig in die Augen schauen können, zum Wohle des Arbeitsklimas oder ihrer Kinder. Dies ist allerdings ziemlich voraussetzunggsreich: Es bedarf des Willens und der persönlichen Möglichkeiten der Klärung, es muss ein Interesse an einer gemeinsamen selbstverantworteten Lösung geben, die Parteien müssen über die Ressourcen zur Bearbeitung und zur Erarbeitung einer Lösung verfügen. Und es muss die erste Hürde genommen werden: Auf einem ziemlich unübersichtlichen Markt für Mediator/innen (in Hinblick auf Qualifikationen, Qualitätskriterien, Findbarkeit und Preise) muss eine passende Mediator/in gefunden werden, auf die sich alle verständigen können, und es muss Kontakt aufgenommen werden. Und am Ende muss es auch noch passen: Sowohl menschlich als auch von dem Background der Mediator/in. Zumindest letzteres ist online auf den Homepages der Kolleg/innen nicht immer sofort ersichtlich.
Wie sieht es nun mit der Digitalisierung in der Mediation aus?
Es gibt eine ganze Reihe von Portalen, die den Kund/innen einen guten Überblick über die in der Region tätigen Kolleg/innen verschaffen können. Anders als bei Hotelbuchungen, Urlaubsreisen, Flügen oder Versicherungen haben wir den Eindruck, dass sich hier noch keine Vormachtstellung eines bestimmten Portals gibt. Potentielle Kund/innen haben noch die Auswahl zwischen verschiedenen Portalen, die nach verschiedenen Kriterien sortieren (Arbeitsbereichen, Zertifizierung, Region usw.). Preise oder voraussichtliche Dauer der Bearbeitung sind hier in der Regel nicht zu erfahren.
Auf der Ebene der Vereinfachung für die Mediator/innen scheint uns die Entwicklung noch im Werden begriffen zu sein. Hier scheint der Fokus der Entwicklung größtenteils auf Lösungen zu sein, die die Abwicklung von Aufträgen vereinfachen. Von der Erstellung von Fotoprotokollen oder Rechnungen bis hin zu einer Übersicht über geleistete Stunden.
Eine ganz andere Ebene hingegen wäre die ganz oder teilweise automatisierte Bearbeitung eines Falles.
Die Chancen könnten hier unter anderem in der Erhebung von Daten der Parteien, der Vorprüfung des Falles auf Mediationstauglichkeit, dem automatischen Erstellen von Angeboten oder auch dem Ausrechnen von bestimmten Zahlen liegen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Konflikte ist es ja so, dass sich Konflikte in bestimmten Bereichen auch ähneln. Darin könnte eine Chance der Digitalisierung unserer Arbeit liegen. Für uns, weil wir von Routinen entlastet werden, und für die Kunden, die ihren Konflikt so schnell als möglich gelöst bekommen möchten.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Lebens- und Rechtsverhältnisse in Dänemark ähnlich komplex sind wie hier, scheint es dort gelungen zu sein, Prozesse zum Wohle der Bürger/innen, die sich in einer schwierigen Lebensphase befinden, zu vereinfachen. Und daran zu arbeiten, kann auch für unsere Kund/innen sinnvoll sein.
Gleichzeitig, so unsere Überzeugung, wird das persönliche Gespräch, gerade in festgefahrenen Konflikten, in Zukunft unverzichtbar sein, um den Moment des gegeseitigen Verständnisses zu erleben, der unverzichtbar ist, um den Konflikt hinter sich zu lassen. Hierfür werden wir Mediator/innen auch in Zukunft gebraucht werden.